Für eine Mode ohne Opfer
Gerechte Wirtschaft: Die für den 9. Februar geplante Abstimmung über das EU-Lieferkettengesetz wurde wegen Uneinigkeit vertagt. Doch sogar Unternehmen sprechen sich für den wirksamen Schutz von Menschen und Klima aus. Das ist dringend nötig.Ein Lieferkettengesetz in der Europäischen Union (EU) und nicht nur in Deutschland sollte kürzlich beschlossen werden. Doch der Koalitionspartner FDP in der Bundesregierung, der Justiz- und Finanzminister, blockierte die Zustimmung der Bundesregierung. Beide Ministerien haben in diesen Verhandlungen nur beratende Funktion und repräsentieren eine Minderheit. Die Bundesregierung, die neben dem Lieferkettengesetz in Deutschland auch maßgeblich die gesetzliche Ausgestaltung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht auf EU-Ebene vorangebracht hat, musste sich aufgrund der Blockade des Koalitionspartners bei der Abstimmung enthalten – und das nach bereits abgeschlossenen Verhandlungen im EU-Parlament, in dem Rat und der Kommission. Die Entscheidung wurde auf ein Treffen des EU-Ministerrats vertagt. Erschütternd ist, dass somit internationale Entwicklungen und auch Positionen zahlreicher Unternehmen ignoriert werden, die sich eindeutig für die gesetzliche Regelung von menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten von Unternehmen aussprechen. Und nicht nur das: Auch umfangreiche Untersuchungen renommierter Universitäten stellen fest, dass Nachhaltigkeit und Menschenrechte in globalen Lieferketten eher einen Wettbewerbsvorteil darstellen und betriebswirtschaftliche Vorteile mit sich bringen.
An den zuständigen Ministerien vorbei haben nun aber Finanz- und Justizministerium mit falschen Fakten – etwa kleinere Unternehmen würden in den Ruin getrieben – andere europäische Regierungen kontaktiert, um das Lieferkettengesetz zu verhindern und letztlich auch das deutsche Lieferkettengesetz abzuschaffen. Eine solche Politik ist angesichts der Krisen keinesfalls zukunftsfähig. Diese Einschätzung teilen auch sehr verschiedene Unternehmen. So fordern 21 Unternehmen und Netzwerke den Bundeskanzler dringend auf, den im Dezember 2023 erzielten Kompromiss für ein EU-Sorgfaltspflichtengesetz zu sichern. Denn noch ist es Realität: Deutschland hat »im Jahr 2018 in den Bereichen Elektronik und Bekleidung Waren im Wert von 28,4 Milliarden US-Dollar bezogen, die möglicherweise unter Arbeitsbedingungen produziert wurden, die unter den Begriff der ›modernen Sklaverei‹ fallen«, so das Handelsblatt Research Institute. An dieser Tatsache haben die unterschiedlichen Initiativen, wie beispielsweise das Textilbündnis, nichts geändert. Und gerade deshalb braucht es ein Europäisches Lieferkettengesetz. Die Textilindustrie ist für viele asiatische Länder ein zentraler Wirtschaftszweig und erzielt je nach Land bis zu 80 Prozent aller Exporteinkünfte. Allerdings: Die Löhne, die den Arbeitern in der Lieferkette gezahlt werden, sind weit entfernt von existenzsichernden Löhnen. Diese sind nicht ausreichend für einen angemessenen Lebensstandard. Geringe Löhne und fehlender Zugang zu menschenwürdiger Arbeit haben unmittelbar negative Auswirkung auf die Familien und die Gesellschaft und schaffen wirtschaftliche Zwänge für Kinderarbeit. Es kommt zu Arbeitsrechtsverletzungen und Repressionen gegenüber Menschen, die für ihre Rechte kämpfen. Nicht nachhaltige und unfaire Einkaufspraktiken europäischer Unternehmen tragen dazu bei, dass ein Anstieg der Löhne kaum möglich ist und es zu Menschenrechtsverletzungen kommt. Ein europaweiter gesetzlicher Rahmen, das Lieferkettengesetz, ist ein gutes Beispiel dafür, wie man global gleichermaßen für Demokratie und nachhaltige Wirtschaft eintreten kann. Das wären echte Entwicklungschancen. Ein Mindestlohn von 8000 Taka (ca. 68 Euro) wie in Bangladesch wären dann nicht möglich. Ein nachhaltiges Wirtschaftsmodell würde würdige Arbeit und nachhaltige Entwicklung stärken. Durch die Krisen der vergangenen Jahre gerieten viele Arbeiter und ihre Familien in existenzielle Not. Die Gewerkschaften fordern deshalb in Bangladesch eine Lohnerhöhung auf 23 000 Taka (195 Euro) pro Monat.
Berndt Hinzmann ist Referent für Wirtschaft und Menschenrechte beim entwicklungspolitischen Netzwerk Inkota.
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