Das Jammerfasten entdecken
Bewusst leben: Täglich ist man negativen Nachrichten und Erlebnissen ausgesetzt. Doch Jammern schafft nur kurzfristig Entlastung. Die Fastenzeit lädt ein zu einem anderen Umgang.Für viele bedeutet das Alltagsleben, sich immer neuen Aufgaben zu stellen. Die Arbeitsbelastung wird immer höher. Dann kommen Gedanken wie: Früher war das besser. Immer muss ich alles ausbaden. Dann nervt sogar die Schlange an der Supermarktkasse oder der Auto- fahrer vor einem. Manchmal macht man seinem Ärger dann verbal Luft. Das bringt für einen Moment vielleicht Erleichterung, kann aber auch zu noch mehr Unmut führen.
Genau hier will eine besondere Fastenaktion ansetzen: das Jammerfasten im Diakoniewerk Halle. »Die Idee dazu entstand aus der Mitarbeiterschaft«, sagt Udo Israel, Pressesprecher des Diakoniewerks. Im zum Diakoniewerk gehörenden Pflegeheim habe er mit den Mitarbeitern über ihre Arbeits- situation gesprochen. Gerade dort ist die Belastung hoch, alles ist sehr anstrengend. Die Frage, wie man dem begegnen kann, stand im Raum. »Ein Mitarbeiter sagte, dass er für sich das Jammerfasten gewählt hätte«, erzählt Israel. Das war vor ein paar Wochen, und da die Fastenzeit buchstäblich vor der Tür stand, wurde daraus die Idee des Jammerfastens als Angebot für die gesamte Mitarbeiterschaft und auch interessierte Menschen von außerhalb.
Dieser Mitarbeiter ist Sven Dietzel, der seit sieben Jahren im sozialen Dienst im Pflegeheim des Diakoniewerks arbeitet. Als Betreuungskraft kümmert er sich um die Bedürfnisse der Bewohner jenseits der Pflege. Aufgrund der hohen Arbeitsbelastung sei in seinem Team viel gemeckert und gejammert worden. Besonders das Lästern über nicht anwesende Kollegen, über Politik und andere Dinge habe ihn gestört. »Lästern ist eine besonders herabwürdigende, aufhetzende Form des Jammerns«, so Dietzel. Er habe sich nicht gut dabei gefühlt. Deshalb hat er schon zu Beginn des Jahres beschlossen, nicht mehr mitzumachen und auch seinen Kollegen vermittelt, dass er Jammern und Lästern nicht hören will. »Das bringt nur kurzfristig Befriedigung, ändert aber überhaupt nichts«, sagt er und plädiert für einen konstruktiven Umgang mit Problemen.
Am Aschermittwoch lud Krankenhausseelsorgerin Simone Kluge nachmittags zu einem Auftakttreffen in ihr Büro mit anschließendem geistlichen Impuls in der Kirche des Diakoniewerks. Eine kleine Runde interessierter Menschen war zusammengekommen: die Seelsorgerin, Mitarbeiter des Diakoniewerks und interessierte Menschen aus der Stadt. Sven Dietzel hielt einen kleinen Vortrag. Er sprach davon, dass man zunächst erkennen sollte, dass man jammert, lästert, lamentiert, dass man sich Fragen stellen sollte, wie: Was gefällt mir nicht? Was tut mir nicht gut? Wie wirkt, was ich sage, auf andere?
Schnell hatte Sven Dietzel gemerkt, dass er nicht der Erfinder des Jammerfastens ist. Bei seiner Recherche im Internet stieß er beispielsweise auf den Psychologen Peter Beer, der das Jammern mit dem Sitzen im Schaukelstuhl vergleicht: Man sei beschäftigt, aber es passiere nichts. Vielmehr bringe es zwar kurzfristig Genugtuung, habe aber langfristig negative Auswirkungen. Es gehe darum, herauszufinden, warum man jammert und wie man konstruktiv damit umgehen kann.
Das Beispiel von Sven Dietzel zeigt, dass es Menschen gibt, die etwas gegen die gefühlte Ausweglosigkeit unternehmen, aus dem Trott heraustreten und Verantwortung übernehmen wollen. Wie bei allen Fastenvorsätzen ist es einfacher, den Weg nicht allein gehen zu müssen. Das Motto der diesjährigen evangelischen Fastenaktion »Komm rüber! Sieben Wochen ohne Alleingänge« passt da gut. Sie bietet Gelegenheit, sich Verbündete zu holen, gemeinsam zu erkennen, was blockiert, eine neue Perspektive zu suchen und vielleicht etwas zu ändern.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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