Frieden auf verlorenem Posten?
»Zukunft hat der Mensch des Friedens«, hieß das Motto des Katholikentages in Erfurt. Aber welche Wege führen zum Frieden? Bei den Debatten sahen viele keine Alternative zu Gewalt und Abschreckung.Erwartungsgemäß stand das Thema Frieden weit oben auf der Tagesordnung des 103. Katholikentages, der am Sonntag in Erfurt mit einem Gottesdienst auf dem Domplatz zu Ende gegangen ist und 23 000 Christen angelockt hat. Papst Franziskus versuchte in seinem Grußwort, die Friedensfrage auch als geistliche Frage zu betrachten: »Um die göttliche Ordnung wieder herzustellen, musste Jesus nicht selten die menschliche Logik und Werteordnung auf den Kopf stellen, was insbesondere in der Bergpredigt deutlich wird.« Den Kreuzestod Jesu deutet er als Friedensstiftung: Am Kreuz »wurde auf die Gewalt nicht mit Gewalt reagiert, auf den Tod nicht mit der Sprache des Todes geantwortet. Im Schweigen des Kreuzes verstummt das Getöse der Waffen und kommt die Sprache der Versöhnung, des Verzeihens, des Dialogs und des Friedens zu Wort«, betonte er. Der Friede Christi entstehe aus Liebe und Hingabe. Die Christen seien gerufen, seine Sendung fortzuführen.
Doch wie diese Nachfolge mit Blick auf die konkreten Kriege aussehen sollte, darüber herrschte Uneinigkeit. So erklärte der katholische Militärbischof Franz-Josef Overbeck seine Unterstützung für den Kurs der Bundesregierung, der Ukraine zur Verteidigung der Region Charkiw den Einsatz deutscher Waffen auch gegen Ziele auf russischem Gebiet zu erlauben. »Das ist deswegen richtig, weil sie es mit einem Gegner zu tun haben, ähnlich wie es bei Hitler gewesen ist, den sie nicht einschätzen können und der mehr als aggressiv ist und mit allen Mitteln seine Ziele erreichen will«, sagte er am Sonnabend in Erfurt. Natürlich werde das »die Kriegsgefahr auch für uns erhöhen«, ergänzte der Bischof im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur. Aber er sehe keine Alternative. Zwar dürfe nicht nur aus Sicht der Kirche nie das Ziel aufgegeben werden, den Frieden zu erreichen. Aber beim Weg zum Frieden könne es auch sein, »dass es ohne Gewalt nicht gehen kann. Alles andere wäre naiv – und wir müssen uns auf einen langen Weg einstellen.«
Eine andere Sichtweise versuchte der Präsident der katholischen Friedensbewegung »pax christi«, Bischof Peter Kohlgraf, bei dem Podium »Schafft man Frieden mit mehr Waffen?« am Freitag einzubringen. Er warnte vor einem Atomwaffenprogramm der EU und erklärte: »Verteidigung darf keinen größeren Schaden anrichten als die Gefahr, die uns betrifft.« Er verwies darauf, dass Abschreckung »keine reine Erfolgsgeschichte sei«. Ihm widersprach der stellvertretende Generalinspekteur der Bundeswehr, Andreas Hoppe. Er warb für Aufrüstung, »nicht um Krieg zu führen, sondern um ihn führen zu können, wenn er nötig wäre«. Sollte die Abschreckung jedoch scheitern, müsse man »auch kämpfen können«. Er begrüße den Begriff »Kriegstüchtigkeit«, gerade weil er provoziere. Er erwarte von jedem Deutschen, sich einmal im Leben die Frage zu stellen, wo der eigene Platz wäre, wenn eine Bedrohung konkreter würde.
Wenig Hoffnung verbreitete auch die russische Friedensnobelpreisträgerin Irina Scherbakowa. Aus ihrer Sicht seien Friedensverhandlungen mit Wladimir Putin über den Ukraine-Krieg eine Illusion. Jedes seiner Worte sei Lüge und mit Manipulation verbunden, so das Gründungsmitglied der Menschensrechtsorganisation »Memorial« am Freitag bei einer Diskussionsveranstaltung in Erfurt. Auch mit dem Begriff »Versöhnung« habe sie ihre Schwierigkeiten, denn er vertusche vieles und schaffe die gefährliche Illusion, dass es schnell passieren könne. Wenn es um Russland gehe, müsse man von Verantwortung reden. So müsse Russland mithilfe internationaler Gerichte zur Verantwortung gezogen werden. Die Taten seien aufzuarbeiten und der Ukraine Reparationen zu zahlen.
Doch es wurde nicht nur über Frieden gesprochen, sondern in vielen Gottesdiensten und Gebetszeiten auch dafür gebetet. Papst Franziskus erinnerte an die Gebete in den Kirchen der DDR 1989: »Dieses Wunder der friedlichen Wende, ausgelöst durch betende Menschen, zeigt uns, was das Gebet vermag. Und so ist diese Erinnerung auch eine Ermutigung für uns heute!«
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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