Nur gemeinsam eine Zukunft
Für die Ökumene war Friedemann Oehme über 20 Jahre als Referent der Landeskirche zuständig. Im Gespräch mit Tomas Gärtner resümiert er, was sich in den Beziehungen zu internationalen Partnern und zu anderen Konfessionen in Sachsen verändert hat.Herr Oehme, ein Höhepunkt bei den internationalen Beziehungen seit 1991 sind die Christlichen Begegnungstage mit Gästen aus Mittel- und Osteuropa. Sie waren zuletzt in Frankfurt/Oder dabei. Wie haben Sie die erlebt?
Friedemann Oehme: Von einer Begegnung im Dreiländereck haben sie sich seit 2005 zu einem mittelosteuropäischen Kirchentag entwickelt. Sie haben Kirchen und Gemeinden einander deutlich nähergebracht und die Partnerschaftsarbeit beflügelt. Nach der längeren Zwangspause wegen Corona ist es auf beglückende Weise gelungen, an diese Entwicklung anzuknüpfen. Es war ein nahezu pfingstliches Ereignis mit großer Begeisterung. Die Vielfalt war sichtbar und hörbar. 2027 in Prag wird es gut weitergehen.
Haben Sie während ihrer Zeit auch erlebt, dass Trennung drohte?
2016 entschied sich die Evangelisch-Lutherische Kirche Lettlands gegen die Frauenordination. Da haben wir überlegt, ob uns das trennt. Aber die Kirchenleitung entschied, dass wir dennoch zu dieser Partnerschaft stehen. Maßgebend dafür war, dass wir viele lebendige Gemeindepartnerschaften haben, die wir stärken wollen.
Welche Folgen hatte der Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022?
Das hat unsere Beziehungen zur Evangelisch-Lutherischen Kirche im Europäischen Russland (ELKER) unter Stress gesetzt. Wir haben alle regionalen Partner in Sachsen gebeten, trotz dieser Situation die Kontakte zu halten. Bei Zoom-Konferenzen ist es aber nicht möglich, über die Dinge zu sprechen, die uns am meisten bewegen, weil die russischen Partner sehr vorsichtig sein müssen. Der Partnerschaftsvertrag ist um weitere zehn Jahre verlängert worden. Ich halte es für ganz wichtig, die Schwestern und Brüder in Russland nicht allein zu lassen. Auch, wenn wir nicht wissen, wie der eine oder die andere denkt. Beziehungen zur Ukraine hält die Bayerische Landeskirche. Wir haben eine Partnerschaft nach Transkarpatien und sind in Kontakt mit Bischof Pawlo Schwarz in Charkiw.
Sind auch den Partnern im Ausland diese Beziehungen wichtig?
Sie sind sehr daran interessiert, diese Partnerschaften zu halten. Sie haben eine große Offenheit und merken, der Blick über den Tellerrand verschafft auch ihnen eine neue Perspektive. Wir wollen nicht immer neue Partnerschaften gründen, sondern die, die wir haben, weiter stärken. Auch mit Partnerschaftsverträgen.
Welche Bedeutung haben die Partnerschaften für Sachsens Gemeinden?
Es gibt bei manchen den starken Antrieb helfen zu wollen. Partnerschaft aber lebt von Begegnung, Austausch, gemeinsamen Gottesdiensten. Das ist sehr motivierend. Von Tansania zum Beispiel könnten Christen hier lernen, mit welcher Selbstverständlichkeit sie dort zum Gottesdienst gehen. Auch die Freude am Glauben, der direkte Bezug zu ihrem Alltag. Von Russland wiederum, wie man als Minderheit in sehr kleinen Gemeinden ganz treu Gottesdienste feiert.
Manche hierzulande neigen dazu, eigene liberale Auffassungen anderen als einzig zeitgemäß zu empfehlen.
Wir sollten vermeiden, als Lehrmeister aufzutreten. Auch wir haben eine Entwicklung durchgemacht. Man kann von Partnern im globalen Süden oder in Osteuropa nicht erwarten, dass sie diese Entwicklung im gleichen Tempo nehmen.
Seit 1996 gibt es die Begegnungstage für russlanddeutsche Aussiedler. Manche fragen sich inzwischen, ob die noch zeitgemäß seien.
Die Integration ist eine bleibende Aufgabe. Die erledigt sich nicht dadurch, dass es kaum noch neue Zuzüge gibt. Ich halte die Begegnungstage nach wie vor für sinnvoll. Spätaussiedler sollten auch in Kontakt kommen mit anderen Migranten. Aber man muss berücksichtigen, dass sie bei den Begegnungstagen ihre Kultur pflegen. Und so lange 400 bis 500 Menschen da zusammenkommen, ist das eine Aufgabe, auch für uns als Kirche, denn die knappe Hälfte der Spätaussiedler sind evangelisch. Aber es wird darüber nachgedacht, ob es nicht einen Begegnungstag geben müsste für alle Zugereisten.
Was waren für Sie Höhepunkte in den ökumenischen Beziehungen?
Die 3. Europäische Ökumenische Versammlung 2007 in Sibiu (Hermannstadt), der Deutsche Evangelische Kirchentag 2011 in Dresden, in den die Christlichen Begegnungstage integriert waren. Bei der 2. Internationalen Partnerschaftstagung 2023 in Meißen konnten wir das basisnahe Netzwerk erleben. Jede Gemeinde könnte eine Partnerschaft in ein anderes Land haben und so internationale Erfahrungen machen. Dazu kann ich nur ermutigen.
Haben Sie auch Tiefpunkte erlebt?
Es werden auch Partnerschaften beendet, von Gemeinden in den Niederlanden zum Beispiel.
Was ist die Ursache dafür?
In den 1970er bis 1980er Jahren interessierte sich vor allem die niederländische Friedensbewegung sehr für die Vorgänge hinter dem Eisernen Vorhang. Jetzt ist die Situation in beiden Ländern ähnlich. Es ist auch eine Generationenfrage. Partnerschaftsgruppen werden miteinander älter. Das ist ein generelles Problem. Man muss darauf achten, immer junge Menschen mit zu beteiligen.
Entstanden auch neue Beziehungen?
Zur Roma-Kirche im rumänischen Sacele bei Brasov (Kronstadt) zum Beispiel. Dort unterstützen wir besonders die Bildungsarbeit. Einen neuen Partnerschaftsvertrag gibt es seit vier Jahren zwischen dem Kirchenbezirk Löbau-Zittau und Pennsylvannia.
Welche Rolle spielt die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirche (ACK) Sachsen?
Das ist eine wichtige Plattform für regelmäßige Begegnungen. Sie stärkt das Miteinander. Ich konnte dort die anderen Kirchen näher kennenlernen – eine beglückende Erfahrung.
Bei Ökumene denken viele zuerst an die Zusammenarbeit zwischen evangelischer und katholischer Kirche. Wie hat die sich in Sachsen entwickelt?
Es ist eine gute Entwicklung. Die beiden Bischöfe arbeiten eng miteinander; auch Verantwortliche in Sachen Umwelt und Frieden. Das Miteinander an der Basis ist ebenfalls intensiv. Wir sollten so viel gemeinsam machen wie möglich.
Warum ist das nötig?
Weil wir in einer säkularen Welt leben, wo Menschen nicht nach Evangelisch oder Katholisch fragen. Hier kommt es auf unser gemeinsames Zeugnis an, auch mit den Freikirchen. Ökumene ist multilateral. Eine Zukunft wird es nur geben, wenn wir gemeinsam unterwegs sind.
Friedemann Oehme |
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Oberkirchenrat Friedemann Oehme wurde 1958 im erzgebirgischen Olbernhau geboren. Nach dem Studium am Theologischen Seminar in Leipzig und dem Vikariat wurde er 1985 in Niederbobritzsch im Kirchenbezirk Freiberg ordiniert. 1993 kam der Pfarrer in die Apostelkirchgemeinde in Dresden-Trachau.
2003 übernahm er schließlich die Aufgaben als Ökumene-Referent im Landeskirchenamt – für über 20 Jahre. Auch als Geschäftsführer und Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Sachsen gestaltete er mit den Partnern die ökumenischen Beziehungen. Er organisierte die jährlichen Begegnungstage für Aussiedler und verantwortete die Internationalen Partnerschaftstagungen 2016 und 2023 in Meißen. Am 6. Juni wurde er in einem Gottesdienst in den Ruhestand verabschiedet. |
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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