Wie verlernen wir den Krieg?
Krieg: Zum Weltfriedenstag am 1. September wird auch der Gefallenen der Kriege gedacht. Es heißt, sie mahnen uns. Doch das ewige Töten und Gegentöten geht weiter. Immer wieder wird den Waffen vertraut. Aber die schaffen keinen Frieden. Nötig ist ein Geisteswandel.Wie wäre vom Frieden zu reden inmitten einer Zeit der Kriege? Wie kann das »Friedenstiften« aussehen, wenn der Krieg und die Kriegslogik dominieren? Es ist, als hielte der Kriegsgeist alles und alle in einem eisernen Klammergriff, als wäre alles in die eine verhängnisvolle Logik hineingezwungen: Ich oder Du, Niederlage oder Sieg, eigene Unterwerfung oder Niederwerfung des Feindes. Es ist schwer, in diesem Kampfmodus andere Optionen zu wählen als Kampf. Andere Weisen von Konfliktlösungen gelten als naiv, realitätsfern, träumerisch, selbstgefährdend, utopisch und illusorisch.
Was wäre in dieser Situation der Beitrag eines christlichen Friedenszeugnisses, das sich der Bergpredigt und den prophetischen Visionen verpflichtet fühlt? Er dürfte zunächst in einer Herauslösung aus dem Klammergriff des Kriegsgeistes bestehen. Denn dessen Optionen sind begrenzt und weisen nur in eine Richtung: Gewaltförmigkeit. Der Ausweg müsste darin liegen, selbst eine andere Logik ins Spiel zu bringen.
Hierfür ist es zweierlei nötig: die gewaltvolle Gegenwartsrealität im Geiste zu übersteigen und das polarisierte Muster der Feindschaft zu überwinden. Um die lähmende Fixierung auf die militärische Logik zu durchbrechen, müsste man eine andersgeartete Realität für möglich halten und sich von ihr »anziehen« lassen. Von dieser anderen Realität als Erwartungs- und Möglichkeitshorizont spricht die Bibel. Inmitten einer gewaltvollen Realität zeichnen die Propheten die Vorstellung einer verwandelten Wirklichkeit vor Augen: »Die Völker werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen« (Micha 4,3). Ein solcher Ausstieg aus dem Gefangensein in der als unveränderbar betrachteten Gegenwartsrealität, öffnet den Geist für andere Wege als die der Gewalt. Auch, weil Gott als die große Friedenskraft mit einbezogen wird. Durch dieses Sich-Beziehen auf den Schalom, den großen Frieden mit, in und durch Gott, eröffnet sich ein Raum, in dem nach den Bedingungen der Möglichkeiten für Frieden gefragt werden kann.
Diese bringt Jesus von Nazareth ins Spiel. In Wort und Tat zeigt er, wie hineinzufinden wäre in die andere Logik Gottes, in die größere Liebe, in die Verwandlung der Welt. Er setzte im entscheidenden Bereich an: im Mentalen und polte die Kriegs- und Feindeslogik um. Programmatisch heißt es: »Selig sind die Sanftmütigen, sie werden das Erdreich besitzen.« (Matthäus 5,5).
Es geht um eine Zurückweisung des Gewaltprinzips als auf Dauer gestelltes Mittel der Wahl. Und gleichzeitig um einen Ausstieg aus dem polarisierten Denkmuster, das so unerbittlich klar und total unterscheidet zwischen den Eigenen und den Feinden, zwischen den Guten und den Bösen. »Liebet Eure Feinde«, fordert Jesus (Mt. 5,44) und meint damit, dass nicht der Feind, sondern die Feindschaft überwunden werden soll, wie der Theologe Pinchas Lapide bemerkte. Das Übersteigen der Feindschaft durch einen »Sprung« in die größere Macht und Möglichkeit Gottes erscheint als Ausweg aus dem verhängnisvollen Gefangensein in Verfeindung und Kriegslogik.
Kriege werden nicht nur auf dem Schlachtfeld entschieden, sondern wesentlich in den Köpfen der Menschen. Wird hier am Abbau der Feindschaft gearbeitet, haben andere Wege als die der Gewalt überhaupt erst eine Chance. Ist hingegen der Geist auf die Zweiteilung der Welt, Feindschaft und Gewaltlegitimierung gepolt, können auch keine anderen Ableitungen gemacht werden als solche, die dem gewaltförmig sind.
Der Frieden beginnt im Kopf und Herz des Einzelnen. Es ist, wie es die simbabwische Buchpreisträgerin Tsitsi Dangarembga 2021 in ihrer Rede sagte: »Unsere Entscheidung, was und wie wir denken, ist letztlich eine Entscheidung zwischen Gewalt oder Frieden fördernden Narrativen.« Insofern ist die Bergpredigt kein realitätsferner Traum, sondern möglicherweise der einzige und letzte rettende Ausweg, der noch offen steht.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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