Den anderen Frieden suchen
Verantwortung: Bei dem Ökumenischen Treffen in Dresden unter dem Motto »Hoffnung für die Erde leben« wurde nach konkreten Auswegen aus Krieg und Klimakrise gesucht. Viele Impulse zeigten: Wer aufbricht, der darf hoffen. Die Lage ist nicht ausweglos.Wie kann Frieden werden? Dieser Frage stellte sich die Podiumsveranstaltung des großen ökumenischen Treffens am Samstagnachmittag in der Dreikönigskirche Dresden. Das Podium stand unter einem Bibelwort aus dem 2. Buch Samuel: »Abner rief Joab zu: Soll denn das Schwert ohne Ende fressen? Weißt du nicht, dass daraus am Ende nur Jammer kommen wird?« (2,26). Aus der christlichen Tradition heraus sollten Wege angedacht werden, wie den Gewaltzirkeln, Kriegsvorbereitungen und Kriegsführungen zu entkommen wäre. »Die Logik militärischer Konfliktbearbeitung mit ihren sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Folgen hat derzeit scheinbar Vorrang vor anderen Konzepten der Konfliktprävention und -bewältigung; nationales und militärisches Denken und Reden überwiegt. Doch führt das aktuelle Aufrüsten und das Festhalten an nuklearer Teilhabe zu mehr menschlicher Sicherheit?«, heißt es im Ankündigungstext der Veranstaltung. Und: »Jesus fordert uns auf, unsere Feinde zu lieben, das Böse mit dem Guten zu überwinden. Wir fragen: Wie könnten Alternativen zum gegenwärtigen System der Sicherheit durch militärische Aufrüstung und Abschreckung aussehen, damit ein friedliches Miteinander auch jenseits der Logik von militärischer Abschreckung und Gewalt funktioniert?«
Der mennonitische Theologe Fernando Enns, Leiter der Arbeitsstelle Theologie der Friedenskirchen an der Universität Hamburg und Professor für Friedenstheologie in Amsterdam, kritisierte zu Beginn die übliche Enge des Begriffs »Sicherheit«: »Sicherheit meint heute die Absicherung meist wirtschaftlicher Interessen, meint militärische Mittel, Aufrüstung, Abschreckung, Waffenlieferungen.« Er fragte: »Für wen organisieren wir diese Sicherheit? Geht es wirklich um den Schutz der Schwächsten, wenn Krieg geführt und auf Dauer gestellt wird?« Enns sensibilisierte für die problematische Unterscheidung zwischen »Wir« und »die Anderen« in den Debatten um Sicherheit und fragte: »Könnten wir mehr Sicherheit erlangen, wenn wir mehr Menschen zum Teil des ›Wir‹ machen? Sollten wir zum Schutz von uns allen nicht auch den Schutz derer suchen, die nicht zum Teil des ›Wir‹ gezählt werden?« Enns warb für einen Ausstieg aus einem Weltbild, das klar zwischen gut und böse, Wir und Die unterscheidet. »Frieden wird so nicht, und Sicherheit schon gar nicht«, so Enns, der auch an das Gebot der Feindesliebe erinnerte: »Das ›Wir‹, das durch die Liebe Christi definiert ist, meint auch die Feinde. Die Liebe Christi gilt allen.« Auf diesem Weg werde deutlich, dass »unser Schutz der Schutz des Anderen« sei. Es sei eine Lüge, dass Sicherheit gegeneinander organisiert werden könne, so Enns. Jeder Mensch habe das gleiche Bedürfnis nach Sicherheit, hier gebe es viel mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Frieden könne man nicht nur unter seinesgleichen diskutieren.
Deshalb warb Enns, der selbst an Friedensverhandlungen in Krisengebieten beteiligt ist, für das beharrliche Festhalten am Weg der Verhandlungen. Mit Blick auf den Ukraine-Krieg sagte er: »Irgendwann wird verhandelt werden. Das ist sicher. Die Frage ist nur, wie viele Tote wir bis dahin noch zulassen wollen. Zehntausend, hunderttausend?« Und auch hier hinterfragte er das »Wir«: »Wer ist dieses ›Wir‹? Wer konstruiert dieses ›Wir‹?« Es müsse immer darum gehen, auch den Feind einzubeziehen und auch für seine Sicherheit zu sorgen.
Auf den Einwand, ob nicht zuerst Gerechtigkeit hergestellt werden müsse, sagte er: »Gerechtigkeit aus christlicher Sicht bedeutet nicht zuerst, dass der Böse bestraft wird, sondern dass zerbrochene Beziehungen geheilt werden.« Demnach müsse es vor allem und zuerst darum gehen, der Gewaltlogik zu entkommen. Denn Krieg sei immer »eine sündhafte Verstrickung, in der am Ende alle ersticken werden«.
Auch der aus Burundi stammende Theologe Déogratias Maruhukiro, der als Mitinitiator der Initiative »Girubuntu Peace Academy« Begegnungsprojekte zwischen Jugendlichen der einst verfeindeten Volksgruppen Huthi und Tutsi im Grenzgebiet Burundi-Ruanda-Kongo organisiert, betonte die Andersartigkeit des christlichen Friedensbegriffs: »Der Frieden, den wir als Erbe von Jesus Christus bekommen haben, ist anders als der Frieden der Welt, der davon ausgeht, dass es den Krieg vorzubereiten gelte, wenn man Frieden wolle und der nichts anderes als ein Gleichgewicht des Schreckens bedeute.« Demgegenüber betonte er: »Frieden wird durch Begegnung ermöglicht, indem wir uns auf andere einlassen, unsere Vorurteile und Missverständnisse überwinden und die Lücken des Vertrauens füllen.« So versuche sein Projekt »Willkommen« in Burundi, ein Zusammenkommen von Jugendlichen unterschiedlicher Herkunft durch Fußball, Tanz, Trommel- und Theaterprojekte zu ermöglichen. In diesen Räumen der Begegnung könne Vertrauen und Menschlichkeit wachsen, indem die Wahrheit der afrikanischen Weisheit des ›Ubuntu‹ aufscheint: »Ich bin, weil du bist.«
Und Katerina Pekridou, Beauftragte bei der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) sowie Koordinatorin des Projekts »Pathways to Peace« betonte: »Es ist nicht unser Verständnis von Frieden, dass er durch mehr Militär und Waffen geschaffen wird.« Im Blick auf den Krieg gegen die Ukraine formulierte sie es als Auftrag von Christen, erneut die Rolle der politischen und religiösen Diplomatie in Konfliktsitautionen zu betonen. Es gelte, die biblische Richtlinie, dass alles Leben heilig und dass Töten eine Sünde sei, zu bekräftigen – und Prozesse der Kriegsvorbereitung, Normalisierung und Legitimierung in Frage zu stellen. Darüber hinaus gelte es, den Vorrang gewaltfreier Friedensarbeit zu vertreten und die Debatte über die ethischen Grenzen der Kriegsführung und des Einsatzes bzw. der Produktion von Massenvernichtungswaffen wieder aufzunehmen.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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