Ein sentimentaler Pazifismus
Der Krieg gegen die Ukraine geht ins vierte Jahr. Rufe nach Frieden sind so bequem wie naiv. Ein Zwischenruf.
Zwei Menschen, zwei Ukrainer: Elena und Roman. Elena stammt aus Kyjiw. Seit drei Jahren lebt sie in Dresden und arbeitet nach längeren Querelen bürokratischer Natur in einer Schule. Ihre Mutter darf nicht raus aus der Heimat, weil sie Ärztin ist. Und da ist Roman Schwarzman. Anlässlich des diesjährigen Holocaustgedenktages sprach er im Bundestag. Anders als viele seine Familienangehörigen überlebte er die Barbarei der Nazis.
Was mögen beide, Elena und Roman, in diesen Tagen denken, wenn in Deutschland wieder »Friedensdemonstrationen« unterwegs sind? Auch in Sachsen. Mit Demonstranten, die noch nie gegen den Krieg in Syrien, im Sudan, im Jemen, in Tschetschenien, in Georgien, in Aserbaidschan oder am 25. Februar 2022 demonstriert haben?! Die aber auch nicht an Putin appellieren, aufzuhören, was dieser mit Fingerschnipp tun könnte: Der Kriegsverbrecher würde zum Helden.
Demonstranten, die vor einer Eskalation warnen, wohlwissend, dass der laufende Krieg schon die Eskalation ist. Bürger, die die Friedenstaube, russische Flaggen (!) und das kirchliche Symbol »Schwerter zu Pflugscharen« tragen, unter ihnen vermutlich einige, die ab 1980 in der DDR darauf Jagd gemacht haben, auf Jugendliche und andere Andersdenkende. Die ihnen im Lehrerkollektiv drohten oder sie gleich von der Schule verwiesen oder ihnen das Abitur zunichte machten. Unzweifelhaft: Unter den Demonstrierenden werden auch wirklich Hoffnungsgläubige sein wie Pfarrer i. R. Harald Bretschneider, der das Symbol erfand (ausführlich dazu auf Seite 3), Sentimentale, vielleicht nur Naive. Und wo ist Margot Käßmann einzuordnen? Aber sind diese Redlichen die Mehrheit unter denen, die, wenn sie »Frieden« rufen, »Unterwerfung« meinen, die den scheußlichen US-Vietnamkrieg zur Rechtfertigung der russischen Aggression heranziehen? Böswillige, die der Ukraine keine Waffen gönnen, damit es jene Waffen präventiv zerstört oder abfängt, die ihre Menschen und ihr Land zerstören. Das ist vulgärer Pazifismus. Vielleicht aber irren wir uns nur, wenn wir diesen Demonstranten und »Pazifisten« unterstellen, sie seien für einen Stopp der Waffenexporte aus Deutschland. Vielleicht (wohl)meinen diese Menschen iranische und nordkoreanische Exporte nach Russland, denken bei Diktatfrieden ans Diktiergerät.
Pazifismus ist ein hehres Ideal. Aber wenn der Krieg bereits IST, dann tötet einseitige Passivität. Hören wir dem fast 90 Jahre alten Roman Schwarzman zu: »Seitdem am 24. Februar 2022 Russland unsere Zivilbevölkerung, unsere Städte und unser Energiesystem angegriffen hat, ist unser Leben und unsere Freiheit wieder in Gefahr. Putin versucht, uns als Nation zu vernichten. So wie Hitler versucht hat, das jüdische Volk im Zweiten Weltkrieg zu vernichten. Damals wollte mich Hitler töten, weil ich Jude bin. Jetzt versucht Putin, mich zu töten, weil ich Ukrainer bin. Am 29. Dezember 2023 wurde unser Haus von einem Flugkörper getroffen. Auf wundersame Weise konnte ich mich und meine Frau retten. Wir waren in den Keller geflüchtet. …
Alles war zerstört. Odessa, meine Heimatstadt, leidet derzeit stark unter dem russischen Terror. Ich sehe erneut Zerstörung und Leid, ich sehe die Gesichter der ukrainischen Verteidiger, die aus russischer Kriegsgefangenschaft zurückkehren.
Ihre Geschichten über die Folter durch russische Besatzer verursachen bei mir Phantomschmerzen. Ich war im Ghetto. Ich habe den Teufel gesehen. Und ich sage: Wir überschätzen ihn sehr! Seine Kraft ist nicht größer als die, die wir ihm geben. … Wer glaubt, dass Putin sich mit der Ukraine zufriedengeben wird, täuscht sich. Die Ukraine braucht Flugabwehr. Odessa braucht Flugabwehr, um Menschen und Häfen zu schützen. Wir brauchen Flugzeuge, um die Überlegenheit in der Luft zu erlangen. Wir brauchen mehr Langstreckenflugkörper, um die russischen Flugplätze und Flugkörperdepots, von denen aus wir täglich angegriffen werden, zu zerstören. Wir brauchen Ihre Unterstützung, um die Menschen in den besetzten Gebieten zu befreien.
Die Welt muss aufhören, Angst zu haben! Die Ukraine wird alles tun, damit der Krieg nicht zu euch kommt! Heute möchte ich Sie an diesem historischen Ort bitten, weiter für die Ukraine und meine Heimatstadt Odessa zu kämpfen. Heute müssen wir erneut alles daransetzen, die Barbarei in die Schranken zu weisen. Dies ist der einzige Weg zu Frieden und gegenseitigem Verständnis. Ich flehe Sie an, uns zu bewaffnen, damit Putin diesen Vernichtungskrieg beendet.«
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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