Abschied mit Hoffnung
Das Ehepaar Lehmann gibt nach 35 Jahren ihr Café in Chemnitz auf, das eine Art Oase warWenn Christina und Wolfgang Lehmann von der Schließung ihres geliebten Cafés am 31. Mai sprechen, spürt man die Wehmut. Tapfer erklären sie den Grund: Im Alter von 76 Jahren, das beide nun erreicht haben, sei eine Grenze der Belastbarkeit erreicht. Die Lehmanns möchten in Rente gehen. Langfristig haben sie den 31. Mai 2023 als Abschiedsdatum festgelegt – fast auf den Tag genau 35 Jahre nach der Eröffnung von »Lehmanns Café« inmitten des damals neu entstandenen Plattenbaugebiets »Fritz Heckert«.
Es war die Verwirklichung eines Traums: Lehmanns sehnten sich da- mals nach Veränderung und Aufbruch, kauften 1985 ein ruinöses Haus in der Markersdorfer Straße für 5 600 Ostmark, sanierten es drei Jahre lang und eröffneten schließlich ihr Café, das von Beginn an auch Galerie und Kulturraum war. Wolfgang Lehmann stieg hierfür aus dem Maschinenbau aus, Christina Lehmann hängte ihren Beruf als Kosmetikerin an den Nagel. »Wir wollten etwas für die Menschen hier tun, die sich in ihre ›Platte‹ zurückzogen und kaum noch in Beziehung kamen«, erinnert sich Wolfgang Lehmann. Mit den Kultur- und Kunstangeboten wollte Lehmanns Café eine »Oase inmitten der Arbeiterregale« sein. »Wir wollten etwas bewegen und verstanden es als unsere Aufgabe, in das Wohngebiet hineinzuwirken und Kontakte zu ermöglichen«, ergänzt Christina Lehmann, die ihr Café auch als »Dienst am Menschen« verstand.
So gehörten Lehmanns auch zu den Mitbegründern der Chemnitzer Tage der jüdischen Kultur. Regelmäßig richteten sie Lesungen, Gesprächsabende, Ausstellungen und Konzerte aus. Auch im Rahmen der Interkulturellen Wochen. Doch auch eine Brücke zwischen der Kirchgemeinde und ihrer Umgebung wollten sie schlagen. Lehmanns sind aktive Christen und gehören zur Bonhoeffergemeinde, die nur einige hundert Meter vom Café entfernt ist. So fand 15 Jahre lang in Lehmanns Café »Bonhoeffers Abendschoppen« statt, ein monatlicher Abend zu aktuellen, kulturellen und auch geistlichen Themen. Und auch Bibelwochen-Abende. »Wir wollten auch eine neue Form des Kircheseins leben, eine Brücke zu den säkularen Menschen schlagen und neue Blickwinkel ermöglichen«, erklärt Christina Lehmann. Kein Wunder, dass immer wieder auch sächsische Landesbischöfe in Lehmanns Café einkehrten. Für ihren Einsatz erhielten die Lehmanns 2014 den Chemnitzer Friedenspreis.
Wolfgang Lehmann blickt dankbar zurück: »Es war das pralle Leben und eine unwahrscheinliche Herausforderung.« Stolz ist er vor allem auch darauf, den 1,3-Millionen-D-Mark-Kredit für die große Sanierung 1997 abgearbeitet zu haben. Nun hoffen die Lehmanns auf einen Nachfolger – und das Weiterleben ihres Traums. Bis es so weit ist, sollen noch Familienfeiern und die Pensionszimmer buchbar sein.
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