Naiv, ahnungslos und dumm?
Friedensmanifest: Käßmann verteidigt Unterschrift – Bundeskanzler verteidigt WaffenlieferungenMargot Käßmann hat ihre Unterschrift unter dem Friedensmanifest von Publizistin Alice Schwarzer und Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht verteidigt. Sie sei und bleibe Pazifistin, schrieb die frühere EKD-Ratsvorsitzende in einem Gastbeitrag für die »Frankfurter Rundschau«. »Dabei habe ich die Demut, zu wissen, dass ich schuldig werde an Menschen, die sich mit der Waffe verteidigen wollen.«
Sie habe zwar auch Verständnis für den Ruf nach Waffen. »Aber in einer Demokratie nehme ich mir das Recht heraus, bei meiner Position zu bleiben«, schrieb sie. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verteidigte die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine bei der Münchner Sicherheitskonferenz gegen Kritik.
Käßmann gehört zu den Erstunterzeichnern des »Manifests für den Frieden«, das binnen einer Woche über eine halbe Million Menschen unterschrieben hatten. Das Manifest war in die Kritik geraten, weil es zu Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine aufruft und von beiden Seiten Zugeständnisse fordert. Nachdem auch AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla seine Unterstützung für das Manifest erklärt hatte, war den Initiatorinnen mangelnde Abgrenzung vorgeworfen worden. Der Politikwissenschaftler Johannes Varwick zog seine Unterschrift als Erstunterzeichner zurück.
Der Pazifismus kenne andere Narrative als die militaristischen, schrieb Käßmann in der »Frankfurter Rundschau«. Da gehe es um Mediation, Diplomatie, gewaltfreie Konfliktbewältigung und zivilen Widerstand. »Kurzfristige Lösungen, den entsetzlichen Angriffskrieg auf die Ukraine zu beenden, hat die Friedensbewegung nicht. Aber die Bellizisten und Waffenlobbyisten haben sie auch nicht.«
Der Diskurs in Deutschland spiegele bisher nicht wider, dass die Hälfte der Menschen die Waffenlieferungen an die Ukraine kritisch sehe, sagte die frühere hannoversche Landesbischöfin dem »Kölner Stadt-Anzeiger«. Aber diese Haltung werde in der Debatte »gnadenlos niedergemacht«. Sie bezeichnete Wladimir Putin als »Kriegsverbrecher«. Dennoch müsse mit ihm verhandelt werden, um weitere Hunderttausende Tote zu verhindern. Bei den Befürwortern von Waffenlieferungen vermisse sie Selbstdistanz und Respekt für die Gegenmeinung. »Das ist eben nicht nur so, wie Außenministerin Annalena Baerbock behauptet, dass ›unsere Waffen Leben schützen‹. Diese Waffen töten auch.«
Mit scharfen Worten verwahrte sich die Theologin gegen die Kritik des ukrainischen Vize-Außenministers Andrij Melnyk, der Käßmann als »Pastorin der Schande« bezeichnet hatte. Sie frage sich, »ob er auch nur die geringste Ahnung vom Neuen Testament und seiner Botschaft vom Frieden für die Menschen hat.«
Im evangelischen »Sonntagsblatt« schrieb Käßmann, Pazifisten gälten als »naiv«, »ahnungslos« und »dumm«. Das müsse sie hinnehmen. Sie verwies auf die biblischen Worte Jesu, der gesagt habe: »Selig sind, die Frieden stiften« (Mt 5,9). Und: »Liebet eure Feinde« (Mt 5,44). »Gerade die Feindesliebe ist, so der Baptistenpfarrer und Friedensnobelpreisträger Martin Luther King, wohl das schwerste, was Jesus uns hinterlassen hat.«
Bundeskanzler Scholz sagte bei der Münchner Sicherheitskonferenz, er verstehe, wenn einige in Deutschland wegen der Waffenlieferungen Sorgen hätten und diese Entscheidungen hinterfragten. Ihnen wolle er aber sagen: »Nicht unsere Waffenlieferungen sind es, die den Krieg verlängern.« Das Gegenteil sei richtig: »Je früher Präsident Putin einsieht, dass er sein imperialistisches Ziel nicht erreicht, desto größer ist die Chance auf ein baldiges Kriegsende, auf Rückzug russischer Eroberungstruppen.«
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