Katastrophe in Großröhrsdorf
Ein Brand zerstört die Stadtkirche Großröhrsdorf – Gemeinde erlebt Welle der SolidaritätDie junge Frau mit Kinderwagen blickt auf die geschwärzte Turmuhr über der leeren Fensterhöhle. 2.45 Uhr ist sie stehengeblieben, die auf den andern Seiten fünf Minuten vor drei. Die Zeit, als die Glocken noch einmal von selbst läuteten, minutenlang, obwohl das Kirchenschiff schon in Flammen stand. »Als hätte die Kirche sich verabschiedet«, sagt sie. Sie versucht zu begreifen, dass ihre einjährige Tochter hier nicht mehr wird getauft werden können – in der 287 Jahre alten Barockkirche, einer der schönsten der Westlausitz. So wie vor zwei Jahren ihr vierjähriger Sohn und sie einige Jahre zuvor hier getauft worden sind. In der Nacht auf Freitag, 4. August, gegen 1.45 Uhr seien sie und ihr Partner durch einen lauten Knall geweckt worden. Den hätten sie nicht deuten können. Bis sie die dicken Rauchwolken über den Flammen sahen und hierher eilten – wie viele Großröhrsdorfer.
Unter ihnen war auch Jens Großmann, Vorsitzender des Kirchenvorstandes. »Weinend haben wir zugeschaut, wie aus fast allen Öffnungen Feuer schlug«, berichtet er. Dass alle Löschversuche der über 100 Feuer- wehrleute gegen die Masse an Flammen vergeblich waren, sei offensichtlich gewesen. Gegen 4 Uhr sei das Turmdach ins Innere gestürzt. Nur Turm und Umfassungsmauern sind stehengeblieben. Innen liegen verkohlte Balken kreuz und quer über dem Schutt. »Es ist unfassbar für uns«, sagt Großmann. Wenigstens sei niemand verletzt worden. Bis 2017 hatten Handwerker die Kirche restauriert. »Nun wird sie auf lange Zeit nicht mehr nutzbar sein. Dennoch wird unser Gemeinde- leben weitergehen«, fügt er hinzu. »Wir halten zusammen.« Zum nächsten Gottesdienst versammeln sie sich im Gemeindehaus.
Dorthin haben sich am Freitag spontan zwei Familien aus der Gemeinde begeben, haben Brötchen geschmiert und Kaffee gekocht. »Um die Erschütterung mit andern zu teilen, sich die Trauer von der Seele reden zu können und zu beten«, sagt Pfarrer Stefan Schwarzenberg. Der 59-Jährige spricht gefasst und überlegt. Seit 17 Jahren ist er hier Gemeindepfarrer. Mit dem Kirchenvorstand hat er einen Krisenstab eingesetzt. Der stimme sich mit Landes- kirchenamt, Statikern und Kriminalpolizei ab, die nun nach der Brandursache suchen.
Carmen Kuhn, Baudezernentin der Landeskirche, ist vor Ort gewesen und sagte, die Zerstörung sei eine »riesige Wunde«. Auch Landesbischof Tobias Bilz hat mit dem Pfarrer, Helfern und Feuerwehrleuten gesprochen. »Die Stadt-Gemeinschaft steht in dieser Stunde der Not fest zusammen. Das beeindruckt mich außerordentlich«, sagte Bilz. Und Bürgermeister Stefan Schneider, selbst kein Gemeindeglied, habe geäußert, er könne sich Großröhrsdorf ohne die Kirche nicht vorstellen, berichtet Pfarrer Schwarzenberg. Die sei die »Seele der Stadt«.
Für größere Gottesdienste solle die Kirchgemeinde den Rödersaal mit über 600 Plätzen bekommen. Eben seien aus dem Vogtland 1000 Euro überwiesen worden. Eine Welle der Solidarität sei in der 9000-Einwohner-Stadt zu spüren. Insgesamt sind bereits mehr als 16 000 Euro an Spenden eingegangen, so eine Sprecherin der Kirchgemeinde. Sein Herz sei zweigeteilt, sagt Schwarzenberg: »Es weint und es hofft.«
Das Gemeindefest am 2. und 3. September werde anderen Charakter haben, sagt Jens Großmann. Aber stattfinden. »Nun gerade.«
Spenden für Stadtkirche Großröhrsdorf sind möglich auf das Konto der Volksbank Großröhrsdorf IBAN: DE 14 8509 0000 5939 9810 30
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