Von BMW ins Kloster
Lebenswende: Eine Managerin von BMW gibt ihre Karriere auf und wird Zisterzienserschwester im ostsächsischen Kloster Marienthal.Fassungslos seien ihre Eltern gewesen. Die Mutter wähnt sie in einer Midlife-Krise. Arbeitskollegen reagieren nicht anders. »Hätte ich eine Bank ausgeraubt«, so Schwester Maria Mechtild Buttala beim Gespräch im Zisterzienserinnenkloster St. Marienthal, »so wären sie nicht schlimmer vorstellbar gewesen.« Dabei sind es die Reaktionen von Familie und Freunden auf ihren Entschluss, Nonne zu werden.
Geboren 1958 in Darmstadt, wächst sie in Bayern auf – die Mutter katholisch, der Vater lutherisch. Sie erlebt in der Familie die seinerzeit verbreiteten konfessionellen Spannungen. Sie wird katholisch getauft. In ein Kloster einzutreten – in ihrer Jugend sei das kein Thema gewesen, wiewohl die familiären Umstände ihre Glaubenspraxis eher vertiefen helfen. »Ich habe immer gebetet und gegenüber meiner evangelischen Großmutter, die gern ein wenig provozierte, meinen Glauben verteidigt«, sagt sie in der Rückschau.
Doch auch Buttala durchlebt Phasen, in denen beispielsweise die Sonntagsmesse für sie nicht obligatorisch ist. Währenddessen fasst sie Fuß im Berufsleben beim Autokonzern BMW, reist um die Welt. 1992 geht es in die israelische Wüste. Dort indes erscheint ihr Christus in einer Vision mit flammendem Herzen. Sie ist Mitte 30. »Das hat meine Glaubenspraxis intensiviert«, sagt sie. Doch der Eifer legte sich.
Die Karriere nimmt hingegen Fahrt auf: Berufsbegleitend studiert sie Betriebswirtschaft, steigt mit Stationen in Günzburg und München ins mittlere Konzernmanagement auf. Sehr gutes Einkommen, Dienstwagen, eine geräumige Wohnung: »Ich wollte Freiheit und Herr meiner Entschlüsse sein«, erzählt sie. Familiengründung spielt für sie keine Rolle. Sieht so Erfüllung aus?
Der Sommer des Jahres 2001 sät bei Iris Buttala – so ihr bürgerliche Name – Zweifel. Alles beginnt unscheinbar mit einem Tagesausflug, den sie mit den Eltern in die Benediktinerabtei Ottobeuren unternimmt. »Wir sind auch zum Chorgebet geblieben«, berichtet sie. »Alles, was atmet, lobe den Herrn«, lesen die Mönche aus dem 150. Psalm. Das ergreift sie. Wenn es ein Berufungserlebnis gegeben hat, sagt sie, so muss man es in diesen Minuten sehen. »Ich will auch den Herrn loben«, auf solche Weise, habe sie damals gedacht. Sie nimmt mit dem Gastpater Kontakt auf und verbringt einige Tage im Kloster. Er verweist auf die Wiederbesiedlung des Klosters Helfta (Diözese Magdeburg), deren Priorin Maria Assumpta Schenkl sie später im Radio hört. Sie schreibt ihr. Schenkl lädt sie ein: »Es wäre ein Wunder«, gibt sie die Worte der 2009 Verstorbenen wieder, »wenn Sie zu uns kämen.« Buttala kommt.
Dabei ist sie in diesen Monaten hin- und hergerissen. Der Schritt wäre ein großer. Fast jeder rät ab. Was sie sich aufgebaut hat! Dazu ihre Freiheit. Doch die Überzeugung reift: »Jetzt, jetzt, jetzt! Wenn Du es jetzt nicht tust, wirst Du es lebenslang bereuen« – so schildert sie die Gedanken, die sie beim ersten Aufenthalt in Helfta in der Klosterkirche bewegen. Angst bleibt dennoch. Dass sie es schaffe, habe keiner vermutet. Doch sie kündigt den Job, löst die Wohnung auf, gibt das Auto weg. Im gemieteten Kleintransporter verstaut sie ihre Habe, um im Juni 2002 nach Helfta aufzubrechen.
»Die ersten zehn Jahre waren hart. Ruhe und Stillsein sind mir schwergefallen«, bekennt sie. Dann wieder grämt sie sich, nicht viel früher eingetreten zu sein. »Irgendwann aber kam die Erkenntnis, dass es Gottes Plan war, mich mit meinem beruflichen Hintergrund zu berufen.« Aus eigener Erfahrung kenne sie die Leiden bestimmter Berufe dieser Zeit: Überlastung, ständiger Termindruck, Stress bis zum Burnout. Darum absolviert sie im Kloster eine dreijährige Seelsorgeausbildung.
Sie kommt nach Helfta und fühlt sich wohl; der Konvent ist jung. Von überallher zieht der Ort Frauen an. Dennoch wechselt sie 2019 nach Marienthal. Die Motive sind vielfältig: Das älteste Zisterzienserinnenkloster Deutschlands soll Bestand haben. Dank weiterer Eintritte und Wechsel leben hier nun zwölf Schwestern. Mechtild wirkt als Priorin und Cellerarin, ist also für die Wirtschaftsführung verantwortlich. Im Einkehrprogramm des Klosters versucht sie etwas an Gäste weiterzugeben. Eines der Angebote trägt nicht zufällig den Titel »Mit den Psalmen beten lernen«.
Abdruck mit Genehmigung der Kirchenzeitung Tag des Herrn (www.tag-des-herrn.de)
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