»Loslassen tut gut«
Matthias Süß blickt auf eine lange Kirchenmusikarbeit zurück und sorgt sich um NachwuchsEs musste Musik sein. Das stand für Matthias Süß früh fest. Geboren ist er 1957 in Aue und griff als Siebenjähriger das erste Mal in die Tasten eines Klaviers. 40 Jahre später, also 2004, wurde er Kantor der St. Annenkirche Annaberg-Buchholz und Kirchenmusikdirektor für den Kirchenbezirk Anna- berg. Am 31. März ist nun sein letzter Arbeitstag. »Ich blicke dankbar zurück auf diesen wunderbaren Weg, den Gott mir beschieden hat«, sagt der 65-Jährige. Mit Blick auf die Musik will er sich eine Pause gönnen. »Nach gut 41 Jahren tut das Loslassen gut«, sagt der verheiratete Vater zweier Söhne, der sich mit am meisten auf freie Wochenenden freut. »Konzerte, Gottesdienste, Hochzeiten – die Familie steckte oft zurück.«
Die Kirchenmusik begleitet Matthias Süß schon immer. Von 1967 bis 1975 sang er unter Rudolf Mauersberger und Martin Flämig im Dresdner Kreuzchor, nahm Orgelunterricht bei Kreuz- organist Prof. Herbert Collum. Danach studierte er bis 1981 Kirchenmusik in Leipzig, ehe er in Chemnitz an der Trinitatiskirche ins Berufsleben startete. Zwar war Süß mit zwei Brüdern in Albernau in methodistischer Konfession aufgewachsen, aber nur in der lutherischen Landeskirche gab es eine berufliche Perspektive. Nach vielen Jahren als Kantor in Chemnitz schaute er sich nach einer neuen Herausfor- derung um. Als auf seine Bewerbung hin aus Annaberg ein kleiner Brief zurückkam, hatte er es unter 17 Bewerbern bundesweit in die enge Auswahl von zwei Kandidaten geschafft. »Das hat Gott gefügt. Mir war innerlich sofort klar, dass ich hierher gehöre.« So kam es.
Er führte in Annaberg Bewährtes weiter, ließ aber auch seine Handschrift einfließen. So schaffte er die Mittwochsmusiken ab, weil sie wenig Anklang fanden. Dafür baute er die Samstagsvespern zu einer Sommermusikreihe zwischen Johannistag und Erntedank aus, die jedes Jahr Musiker und Organisten aus nah und fern ins Erzgebirge lockt. Die Walcker-Orgel ist ein Grund dafür. Der scheidende KMD empfindet sie als Geschenk. »Es ist das schönste romantische Instrument, das ich kenne«, sagt er. Auch der 50-köpfige Kantorei-Chor sei ein Pfund. Doch wie bei Kurrende und Vorkurrende blickt Süß nicht ohne Sorge in die Zukunft. »Es ist schwer, diese Sängerscharen aufrechtzuerhalten, vor allem in einer gewissen Qualität.« Dabei ist das Erzgebirge für eine großartige Kirchen- musik bekannt. »Weil hier schon immer viel gesungen wurde. Und weil viele Komponisten aus dem Erzgebirge stammen«, sagt Süß. Doch es fehlt in Gemeinden ebenso an Nachwuchs wie in Sportvereinen.
Er selbst wagte in Annaberg viel und nutzte Möglichkeiten, die er in Chemnitz mit einem kleinen Chor nicht hatte. Zum Beispiel mit zwei Oratorien pro Jahr, der vielgestaltigen Adventsmusik, Rundfunk- und Fernsehaufnahmen sowie CD-Einspielungen. Darunter eine Trilogie von der Walcker-Orgel, bei der sich Süß den Themen Barock, Romantik und Moderne widmet. Besonders gern denkt er an die Aufführung von Bachs Johannes- und Matthäus-Passion zurück, aber auch an den »Elias« von Felix Mendelssohn Bartholdy. »Großartige Konzerte«, sagt der 65-Jährige und wusste stets um Grenzen. »Bachs Messe in h-Moll hätte alle überfordert«, nennt er ein Beispiel. Selbst der Corona- zeit gewann er einen positiven Effekt ab: Weil die Sänger einen Mindestabstand einhalten mussten, strengten sie ihre Stimmen mehr an, um sich gegenseitig »im Ohr zu haben«. Das sorgte für einen kräftigeren Gesang, also mehr Volumen im Chor. »Und es stärkte das Selbstvertrauen jedes Einzelnen, weil sich keiner hinter dem anderen ver- stecken konnte«, sagt Süß, der viel im In- und Ausland konzertierte und nach der eingangs erwähnten Pause auch wieder Gastspiele plant.
Weil sein Nachfolger im Amt – KMD Ulrich Meier aus Auerbach im Vogtland – erst nach den Sommerferien startet, hat Süß die Sommermusikreihe 2023 noch vorbereitet. Schon am 18. März gibt er sein persönliches Finale auf der geliebten »Walcker« – in einem Konzert mit Werken von Bach, Reger, Langlais und Mendelssohn Bartholdy. Ein sehr anspruchsvolles Programm. »Es ist ein Resümee meiner Arbeit«, sagt Süß. Am Sonntag Lätare – auch Freudensonntag – findet der Abschiedsgottesdienst statt. Dann schließt sich ein Kreis. »Das war liturgisch einst mein Bewerbungsgottesdienst in Annaberg.«
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