Urteil in Linksextremismus-Prozess gefallen
Eine Studentin aus Leipzig soll der Kopf einer linksextremistischen Vereinigung gewesen sein. Zusammen mit drei Männern wurde sie nach fast 100 Verhandlungstagen verurteilt. Bereits am Tag der Urteilsverkündung gab es Proteste. Die Polizeigewerkschaft schlägt Alarm.Der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Dresden hat am Mittwoch vier mutmaßliche Linksextremisten zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Gegen die 28 Jahre alte Lina E. aus Leipzig verhängten die Richter eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten. Sie sahen bei der Studentin den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung als erwiesen an, zum Teil in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.
Der Haftbefehl gegen Lina E. wurde aufrechterhalten, aber unter Auflagen außer Vollzug gesetzt. Ihre drei Mitangeklagten erhielten Haftstrafen zwischen zweieinhalb und drei Jahren und drei Monaten. Einer der Männer soll ebenfalls Mitglied der kriminellen Vereinigung sein, die beiden anderen wurden unter anderem wegen Unterstützung dieser verurteilt. Den Angeklagten zwischen 28 und 37 Jahren wurden zudem Beteiligung beziehungsweise Beihilfe zu gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung vorgeworfen. Sie sollen zwischen 2018 und 2020 in unterschiedlicher Beteiligung Rechtsextreme tätlich angegriffen haben (Az. 4 St 2/21).
Der Vorsitzende Richter, Hans Schlüter-Staats, sagte, alle diese Taten seien einer kriminellen Vereinigung zuzuordnen. Diese habe gewaltsame Überfälle gegen Rechtsextreme begehen und ihre Opfer erheblich verletzen wollen. Die Vereinigung habe sich Ende 2017 mit Schwerpunkt in Leipzig herausgebildet. Militanter Antifaschismus hat dem Urteil zufolge die Mitglieder der Gruppe vereint. Diese seien methodisch, strukturiert und professionell vorgegangen, hätten acht Taten in zwei Jahren begangen sowie dazu ein Tatmitteldepot vorgehalten. Die Angriffe seien zuvor systematisch trainiert und mit verteilten, aber nicht mit festen Rollen eingeübt worden. Dabei wurden nach Überzeugung des Senats Tatabläufe einstudiert. Dies hatte auch der Kronzeuge in seiner Aussage vor Gericht bestätigt.
Schlüter-Staats hatte zu Beginn seiner detailreichen, acht Stunden langen Urteilsbegründung betont, dass der Kampf gegen Rechtsextremismus keine Gewalt rechtfertige. Sein bis zum Abend dauernder Vortrag war zunächst mehrfach von Zwischenrufen unterbrochen worden. Am Mittag wurden einzelne Zuhörer aus dem Saal geführt, nachdem sie unter anderem den Richter beleidigt hatten. Etwa 100 Unterstützer hatten sich zur Urteilsverkündung im Sicherheitssaal des Oberlandesgerichtes versammelt. Der Prozess hatte im September 2021 begonnen. Es sind die schwersten Vorwürfe, die seit Jahren gegen die linksextreme Szene erhoben wurden. Lina E. hat laut dem Urteil eine herausgehobene Stellung innerhalb der Gruppe eingenommen, auch wenn der Senat sie nicht als Rädelsführerin einstufte. Laut dem Senat soll es eine Liste mit Namen von 215 Mitgliedern der rechtsextremen Szene gegeben haben.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) betonte nach dem Dresdner Urteil, dass es in einem demokratischen Rechtsstaat keinen Raum für Selbstjustiz geben dürfe. Der Prozess habe deutlich gezeigt, „dass von gewaltbereiten Linksextremisten eine erhebliche Gefahr ausgeht“. Gegen das Urteil kann Revision eingelegt werden.
Bei Protesten nach dem Urteil sind am Mittwochabend in Leipzig Polizisten massiv angegriffen worden. Der Pilot eines Polizeihubschraubers sei mit einem grünen Laserstrahl geblendet worden, teilte die Polizeidirektion Leipzig am Donnerstag mit. Er habe abdrehen müssen. Ermittelt werde gegen Unbekannt wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr. Zudem seien bei den Demonstrationen im Stadtgebiet unter anderem Flaschen, Steine und Pyrotechnik in Richtung der Einsatzkräfte geworfen worden. Der Versuch, Barrikaden zu errichten, sei durch Beamtinnen und Beamte unterbunden worden. Zwei Tatverdächtige seien nach einer versuchten gefährlichen Körperverletzung durch Steinwürfe auf Polizeibeamte gestellt worden, hieß es. Vier Beamte wurden leicht verletzt.
Die Versammlungsbehörde hatte zuvor entschieden, dass die Demonstration der „Antifaschistischen Vernetzung Leipzig“ nur stationär und nicht als Aufzug stattfinden darf. Laut Polizei waren die Teilnehmenden teilweise vermummt, einige hätten sogenannte Schutzbewaffnung wie spezielle Handschuhe mitgeführt. Zudem sei die angezeigte Teilnehmerzahl von 150 weit überschritten worden. Laut Polizei beteiligten sich etwa 800 Personen an der Versammlung. Im Leipziger Stadtteil Connewitz setzten den Angaben zufolge Unbekannte einen Glascontainer in Brand. Darüber hinaus seien drei Tatverdächtige nach einem Autobrand wegen des Verdachtes einer Brandstiftung vorläufig festgenommen worden.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) verurteilte bundesweite Ausschreitungen aus der linksextremistischen Szene in Folge des Gerichtsurteils. Die Reaktionen seien „in höchstem Maße besorgniserregend“, erklärte der GdP-Bundesvorsitzende Jochen Kopelke. Die Hemmschwelle zur Gewalt habe ein neues Tief erreicht. Die massiven Angriffe würden gezielt auf den Rechtsstaat und die Polizei verübt. Mit der Ankündigung eines Tag X baue die linksextreme Szene zudem bewusst eine Drohkulisse auf und schüchtere ein. Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) kritisierte die Aktionen scharf: „Einen Hubschrauberpiloten mit einem Laserpointer anzustrahlen, sodass der abdrehen muss, weil er sich sonst selbst gefährdet - das sind Dinge, die überschreiten jede Grenze“, sagte Schuster dem MDR. Für Samstag sind weitere Proteste der linken Szene in Leipzig angekündigt. Die Versammlungsbehörde der Stadt will am Freitag Details zu geplanten Demonstrationen bekannt geben. Insgesamt wurden laut Polizei knapp ein Dutzend Straftaten bei dem Einsatz am Mittwochabend in Leipzig registriert.
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