Warum Geschwätzigkeit Gott verfehlt – und man auch Worte fasten kann im Internet und auch sonst im Leben. Die Bibel weiß, dass man vom Höchsten manchmal besser schweigt.
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Der gesellschaftliche Lärmpegel steigt. Die Verstärker heißen Facebook & Co. Flüchtlingswillkommen und Flüchtlingshass, die lustigsten Katzenbilder und das am schönsten schöngefälschte Selbstportrait: Die sozialen Internetnetzwerke haben längst ein Zeitalter des Sendens eröffnet. Alle reden, streiten, feiern sich. Durchsage auf Dauer gestellt.
Die Kirche ist mittendrin. Möglicherweise liegt hier ein Grund, warum in ihr seit einigen Jahren Mission wieder großgeschrieben wird: Mission heißt Sendung. Natürlich hat Jesus seinen Jüngern aufgetragen, »alle Völker« zu lehren und zu taufen – aber zugleich wohnt im Senden eine Versuchung und eine Gefahr. Die Versuchung: Der Sender erhebt sich über den Empfänger. Die Gefahr: Die Logik des Sendens verlangt nach marktgängigen Gottesbildern. Nach Klarheit, Eingängigkeit, Einfachheit. Auch in den Kontroversen der sächsischen Landeskirche in den letzten Jahren war dieser Wunsch einer der stärksten Antreiber.
Gott aber entzieht sich allen Versuchen, von Menschen versendet zu werden. Mose musste seine Schuhe ausziehen und sein Gesicht verhüllen, als er sich ihm am Berg Horeb in einem brennenden Dornbusch offenbarte. Nicht zu fassen, gefährlich heiß, sein rätselhafter Name: »Ich werde sein, der ich sein werde«. Später erließ der Herr gleich als zweites der zehn Gebote ein Verbot: Du sollst Dir kein Bildnis von ihm machen. Keine handlichen Formeln, kein Taschengott für alle Fälle. Die jüdische Scheu vor der Aussprache des Gottesnamens bewahrt diese Warnung. In ihr liegt die Weisheit, dass der Schöpfer größer ist und manchmal ganz anders als die Gedanken und Wünsche der Menschen.
»Wolken und Dunkel sind um ihn her«, weiß der Psalm 97. Und der Prophet Jesaja hat noch weniger beruhigende Gottesworte zu berichten: »Ich bin der Herr, und sonst keiner mehr, der ich das Licht mache und schaffe die Finsternis, der ich Frieden gebe und schaffe Unheil« (Jesaja 45, 7).
Als der Prophet Elia am Berg Horeb wie Mose einst dem Herrn begegnen sollte, fand er ihn nicht in einem mächtigen Wind, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, wie er wahrscheinlich erwartet und erhofft hatte. Und auch nicht im Erdbeben und nicht im Feuer. Sondern in einem »stillen, sanften Sausen«.
»Als das Elia hörte, verhüllte er sein Antlitz mit seinem Mantel und ging hinaus und trat in den Eingang der Höhle.« (1. Könige 19, 13) Gott war ganz anders. Der Mensch kann ihm nur aus höhlengleicher Deckung vorsichtig hinterher spähen. Wer das vergisst, der muss mit göttlichem Widerspruch rechnen. So wie Hiobs Freunde, die mit der Gewandtheit der Theologen das Leid rechtfertigten, dass Gott über Hiob gebracht hatte. Sie meinten, den Höchsten besser zu kennen. Der aber wehrte sich: »Mein Zorn ist entbrannt über dich und über deine beiden Freunde«, erwiderte er Hiobs Freund Elifas. »Denn ihr habt nicht recht von mir geredet.« Sie hätten besser von Gott geschwiegen. Es wäre hilfreicher gewesen für Hiob in seinem Leid – und angemessener der Größe Gottes.
Dumm nur, dass Schweigen nicht angesagt ist heute. In sozialen Internetnetzwerken ebenso wenig wie in der Kirche. Klare Standpunkte, klare Botschaften sind gefragt. Klar. Die Bibel aber weiß um die inneren Wüsten und Abgründe, in denen es die Sprache verschlägt. Und sie weiß, dass in diesen unwirtlichen Gegenden der Seele Gott selbst zu finden ist.
»Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich’s gebührt«, schreibt der Apostel Paulus über die Grenze allen Redens und Sendens (Römer 8, 26), und es klingt gar nicht verzweifelt. »Sondern der Geist selbst vertritt uns mit unaussprechlichem Seufzen.«
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