Schnitt an der Seele
Ein Dresdner Prominenten-Friseur soll mit Scientology-Methoden gearbeitet haben – auch aus der Landeskirche kam dieser Vorwurf. Zu recht? Und darf eine Firma in die Seelen ihrer Kunden und Mitarbeiter greifen?
Es war ihnen nicht genug, sich um das zu kümmern, was auf dem Kopf wächst. Die Dresdner Edel-Friseure Petra Brockmann und Thomas Brockmann-Knödler wollten im Schatten der Frauenkirche die Dinge auch in den Köpfen schneiden und legen. Ist ihnen dabei die Schere verrutscht?
Der Professor, graues langes Haar und randlose Brille, legt seinen Schal neben den Abschlussbericht seiner Prüfkommission, die von der Firma selbst eingesetzt wurde: »Wir haben nicht den geringsten Hinweis gefunden, dass Brockmann und Knödler Scientologen sein könnten«, sagt der Leipziger Religionswissenschaftler Hubert Seiwert den Presseleuten in dem kahlen Dresdner Konferenzraum. Sicher, der Schweizer Kommunikationstrainer Hans Peter Huber habe in seinen Seminaren für Mitarbeiter und Friseur-Kollegen in der Brockmann und Knödler Academy Methoden des Scientology-Gründers L. Ron Hubbard verwendet, das habe er bereitwillig zugegeben. Aber allein der Umstand, dass Huber diese Methoden frei verändert habe, spreche doch gegen seine Mitgliedschaft in der Sekte, doziert der Professor. Denn das sei ein Sakrileg.
Ihm gegenüber, mitten unter dem Dutzend Journalisten, klappt Harald Lamprecht seinen silbernen Laptop auf. Der Beauftragte der Landeskirche für Weltanschauungsfragen, Vollbart und meist mit Fahrrad unterwegs, hatte den Scientology-Verdacht um das adrette Friseur-Ehepaar erst mit ins Rollen gebracht. Vor drei Jahren wandten sich unabhängig voneinander mehrere Mitarbeiter von Brockmann und Knödler an ihn, seelisch aus der Bahn geworfen von Hans Peter Hubers Ausbildungsmethoden.
Lamprecht hat Bilder in seinem Laptop: wie Erwachsene mit Bausteinen private Probleme ihres Lebens nachbilden sollen, wie Salon-Inhaberin Petra Brockmann an die Tafel schreibt »Immer zu zweit auf Toilette gehen«, wie Seminarteilnehmer lernen, über andere Menschen Kontrolle auszuüben, wie sie mit Fragebögen selbst überwacht werden. Als Medien Anfang des Jahres diese Merkwürdigkeiten ans Licht brachten, war Harald Lamprecht ein gefragter Mann. Er organisierte ein Treffen mit 15 ausgestiegenen Mitarbeitern im Erfurter Augustinerkloster. Vieles kam ihm bekannt vor: aus dem Scientology-Handbuch.
Der Religionswissenschaftler Hubert Seiwert kann kaum verbergen, was »Sekte« für ihn in Wahrheit ist: Ein Kampfbegriff, mit dem man Gegner niedermacht. Es ärgert ihn, wie auf das Friseur-Ehepaar eingeschlagen wird, in deren Firma er nichts »sektenartiges« sehen kann. Auch den Kirchenmann Lamprecht würde er am liebsten an das achte Gebot erinnern. Seiwert selbst wirbt schon seit langem für einen entspannten Blick auf die Scientology-Organisation, die von der Religionsfreiheit geschützt sei wie Kirchen auch.
Dabei wollte das Friseur-Ehepaar ursprünglich ihren größten Kritiker in die Prüfkommission berufen: Harald Lamprecht. Er sagte zu. Doch als ihm eine von Brockmann und Knödler beauftragte PR-Agentur einen Vertrag vorlegte mit allerlei Redeverboten samt Schadensersatzansprüchen, verweigerte er seine Unterschrift. Bei einem vereinbarten Treffen ließ ihn das Paar daraufhin sitzen.
Joachim Kallenberg schreckte das nicht. Der Zweite im Bunde der Prüfkommission hat ein ganz persönliches Interesse an den Vorwürfen: »Mir wurde unwahrscheinlich heiß, wie gefährlich mein Job ist«, sagt der Leipziger Unternehmensberater und Psychologe – ein leutseliger Sachse, der selbst Mitarbeiter trainiert. »Bei Rollenspielen mit Videoaufzeichnung, die ich mache, würde auch mancher sagen: Das ist psychisch eine Tortur.« Viele der Methoden, die Lamprecht und andere Kritiker als »sektenartig« ansehen, seien zwar in der Ausführung merkwürdig – grundsätzlich aber in der Wirtschaft in ähnlicher Weise durchaus üblich.
Nur 20 von 243 Teilnehmern der Kommunikationsseminare haben die Prüfer befragt. Manche fanden die Methoden gut, andere schlecht. Eine Friseurmeisterin wurde sich dabei ihrer unterdrückten privaten Wünsche bewusst und bekam Streit mit ihrem Mann, sie fand das klärend. Andere empfanden dasselbe belastend. Was der Kirchenmann Lamprecht »Überwachung« nennt, bezeichnet der Unternehmensberater Kallenberg als »Supervision«. Er sagt auch: »Aus den Wochenberichten wäre noch viel mehr für die Führung herauszuholen gewesen.«
Brockmann und Knödler haben ihre Mitarbeiter um Entschuldigung gebeten. Das Friseur-Ehepaar wollte den ganzen Menschen frisieren, auch seine Seele. Der Götze heißt Erfolg, Glanz, Geld. Sein Tempel steht heute vielerorts. Opfer fordert er auch. Den Begriff Sekte braucht er nicht mehr.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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