Lieber Herr Dreier, natürlich spielt bei alle dem, was hier verhandelt wird und was sich auf den Straßen abspielt, Emotion eine große Rolle. Emotionen werden da um so wichtiger, wo Wissen, wo Bildung fehlt.
Dabei steht für mich die Frage im Raum, ob es sich, bei den Demonstrationen in Dresden, wirklich um platten Rassismus handelt. Rassismus ist doch auch zu einem Schlagwort verkommen.
Ich frage mich schon, was die Menschen wirklich über den Islam wissen, den sie dumpf fürchten. Wer sich völlig emotionslos und rational mit ihm befasst, der weiß, das hier Verteufelung ebenso fehl am Platze ist, wie Verharmlosung.
Was wissen diejenigen die als Gegner von Pegida auf die Straße gehen von dem, wofür sie sich einsetzen? Ist da nicht auch sehr viel Emotion im Spiel und wenig wirkliches Wissen?
Das, was uns viele unserer Medien vermittelt, ist kaum geeignet, das Wissen zu erhöhen, wohl aber dazu gedacht, die Emotionen zu steigern.
Was Zuwanderung betrifft, so darf uns diese nicht als etwas schlechtes vorkommen, denn wir brauchen sie. Wenn ich an die freien Wohnungen in unserer Stadt denke und an die Altersstruktur, dann bin ich durchaus dafür, das hier Menschen, die anderenorts verfolgt werden, Aufnahme finden.
In dieser Hinsicht haben wir auch ein "breites Bündnis", das aber ebenso im Konsens darüber ist, das die Menschen, die hier her kommen, sich in unsere Normen, in den Grenzen, die sie selbst haben, einpassen müssen. Aber da wir bisher gute Erfahrungen mi "Fremden" gemacht haben, und diese mittlerweile "Einheimische" geworden sind, bin ich guter Dinge.
Gert Flessing
Vor diesen Verteidigern muss sich das christliche Abendland fürchten. In Schneeberg geht ein von einem NPD-Mann angeführtes Bündnis gegen Flüchtlinge auf die Straße und illustriert sein Anliegen im Internet mit einer Foto-Montage einer zur Moschee umgebauten Wolfgangskirche – ein paar Bilder weiter fliegen Kreuz, Davidstern und Halbmond gleich zusammen in die Abfalltonne. In Dresden demonstrierten am Montag wieder Tausende als »Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes« – ihr vorbestrafter Anführer, der nach Presseberichten im Drogen- und Rotlichtmilieu unterwegs war, ist gerade aus der Kirche ausgetreten.
Hört man den Demonstrationen der Islamkritiker zu und liest ihre Seiten im Internet, spricht da vor allem Wut. Und Angst. Wut auf ein Establishment aus Politik, Medien und auch Kirchen, von dem sie sich nicht gehört fühlen. Auf eine Welt, die ihnen immer fremder wird. Die Gleichstellung Homosexueller und Ankunft von immer mehr Menschen aus anderen Kulturen macht ihnen Angst – auch vielen Christen. Selbst manchen, die sonst liberal denken – bis in deren Nähe plötzlich ein Flüchtlingsheim aufmacht. Es ist eine schwer fassbare Angst.
Doch über diese innere Angst spricht kaum jemand. Das ist auch schwer, weil es verletzbar machen würde. Die Angst wird lieber nach außen gestülpt in der Form des Protestes. Das Feindbild: die Unterwanderung Sachsens durch Salafisten.
Angst aber trübt die Wahrnehmung, Wut erst recht. Die nüchternen Fakten sind: Viele Flüchtlinge, die nach Sachsen kommen, sind gerade vor Islamisten geflüchtet. Weil sie die Werte des christlichen Abendlandes wie Glaubensfreiheit und Nächstenliebe schätzen – und nicht wie dessen vermeintliche Verteidiger im Grunde verachten.
Das Thema Emotionen hatte ich ein wenig angestossen - und möchte es nochmal aufnehmen - Sie, Herr Dreier, taten das ja auch.
Mich stört ein wenig - auch bei diesem Artikel - dass man bei den "Rechten" nach Ängsten sucht, die dahinter stecken könnten. Bei denen, die in der Zuwandererproblematik offen sind, stecken doch vielleicht auch Ängste dahinter (vor zu viel kultureller Monotonie, vor einer eingefahrenen und nicht wandlungsfähigen Gesellschaft, Angst vor zuviel Ordnung - und wer weiß, welche Mengen frühkindlicher Ängste dahinter stecken - vielleicht vor überstrengen Eltern, die sehr wenig Veränderung mochten, zu ordnungsbewusst waren usw., vielleicht gibt es auch Bindungsangst dahinter - "ich will mich für keine Kultur entscheiden müssen", vielleicht auch Schuldkomplexe - "Ich habe es nicht verdient, in einem Land zu leben, dem es so gut geht. Es muss mir schlechter gehen" usw.,). Umgekehrt steckt hinter manchem rechten Standpunkt vielleicht auch Mut (vielleicht im Sinne von: "Ich traue mich in dieser pluralen Welt ein klares Fundament zu vertreten! Ich ordne mich nicht dem mainstream unter, sondern schwimme gegen den Strom."). Psychologisieren kann man doch in jede Richtung. Wer bewahren will ist doch nicht ängstlicher als der, der verändern will. Angst und Mut sind meiner Ansicht nach nicht so einfach zuzuordnen. Und nach dem Psychologisieren stehe ich dann ja auch wieder vor der ungelösten Frage in der Sache: Wie soll es denn nun weitergehen? Wohin geht denn unser Land?
Lieber Manuel,
der Gedanke "Ich traue mich in dieser pluralen Welt ein klares Fundament zu vertreten! Ich ordne mich nicht dem mainstream unter, sondern schwimme gegen den Strom." ist sicher gut und richtig. Nur: Was ist eigentlich der Mainstream? In Dresden schein es PEGIDA zu sein. Und gegen diesen Strom schwimme ich bisher gern! Ich hörte gerade dazu im mdr:
'Der Zentralrat der Muslime hat die Politik aufgefordert, sich klar gegen die "Pegida"-Bewegung zu positionieren. Vorsitzende Mazyek sagte in Dresden, Rassismus sei keine Meinung. Die Slogans der Demonstranten zeigten, dass Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus salonfähig geworden sein. Ein Grund dafür sei, dass bislang deutliche Worte von Bundespolitikern dagegen fehlten. Als besonders erschreckend bezeichnete es Mazyek, dass auch Teile des Bürgertums zumindest eine gewisse Sympathie für die "Pegida"-Bewegung zeigten. Viele seien auch der Meinung, dass die Politik nicht in der Lage sei, die Probleme anzugehen. Das sei eine gefährliche Gemengelage. ...'
Diese Gefahr sehe ich auch! In welche Richtung schwimmt man nun als politikbewusster Christ?
fragt
Johannes Lehnert
Lieber Johannes,
"ich traue mich..." etc. war von mir gar nicht als salonfähiger Gedanke zur Rechtfertigung entsprechender Meinungen gemeint, sondern als mögliche Deutung, dass hinter mancher rechter Gesinnung auch anderes als Angst stecken kann. Wir waren ja ein wenig bei der Psychologisierung. Andreas Dreier hat dazu noch einiges geschrieben.
Was der mainstream ist, vermag ich auch nicht so richtig zu sagen. Unser Land ist tief gespalten - vermutlich sind sogar viele Menschen sehr gespalten. Alle spüren, dass große Veränderungen vonstatten gehen - und einen Weg, darüber sachlich zu reden, haben wir alle noch nicht gefunden. Alle sehen Gefahren - was angesichts dessen, was geschieht, vielleicht auch berechtigt ist. Aber gerade deswegen müsste man einen sachlichen Weg finden - jenseits aller "Islamisierungskeulen" und "Rassismuskeulen". Mit sowas löse ich nur Reflexe aus, löse aber letztlich keine Probleme (ja - benenne sie noch nicht mal). Es ist keine einfache Situation. Ich denke manchmal, dass weder Angst vor "Islamisierung", noch Angst vor "Rassismus" ein guter Ratgeber ist. Beides sind momentan Keulen, mit denen der jeweilige Gegner geschlagen wird. Angst ist freilich nie ein guter Ratgeber. Man muss reden. Solange dazu keiner in der Lage ist, geht halt nichts.
Nein, der Rassismus-Vorwurf ist keine Keule, sondern Rassismus ist Alltag! Wenn ich den Flüchtlingen vorwerfe, dass sie in Luxuswohnungen untergebracht werden und mit Markenwaschmaschinen versorgt werden, statt diesen Vorwurf an die Stadt, die für die Versorgung der Flüchtlinge zuständig ist, zu richten, und zudem diesen Vorwurf noch dann weiter verbreitet, auch wenn dieser schon längst widerlegt worden ist, und wer schnaubend tönt (nein, das ist keine Polemik!), dass die Flüchtlinge nur ja in ihrem Heimatland bleiben sollen und "dort erstmal für Ordnung sorgen" sollen, ist in meinen Augen niemand, der "lediglich Probleme" anspricht, sondern eben ein Rassist. Und jeder, der seinen Einwänden und Bedenken hinsichtlich der Flüchtlingspolitik ernstgenommen werden will, darf sich nicht bei solchen Typen mit einreihen! Ja, es gibt freie Meinungsäußerung, aber wer ernstgenommen werden will, muss sich auch ernsthaft zu benehmen wissen!
Lieber Manuel!
Dem, was Andreas Dreier schreibt, kann ich nur zustimmen. Auch mir geht es darum, über Fakten zu reden und Emotionen als solche zu erkennen und nicht meine subjektive Meinung/Einzelerfahrung zur faktengestützten Wahrheit hoch zu stilisieren. Da ist eben wahr, dass lt. Bertelsmannstudie die 6,6 Mio Migranten, die in Deutschland leben, sich nicht faul in die soziale Hängematte legen und unseren späteren Enkeln jetzt schon die noch nicht vorhandenen Haare vom Kopf fressen. Sondern im Durchschnitt bringen die Migranten jeder 3.300 € mehr ins Soziale ein als sie empfangen. Und wenn das Gesetz, dass jetzt die Residenzpflicht abgeschafft hat und Asylbewerbern nach drei Monaten das Arbeiten erlaubt, weiterentwickelt wird, wird sich die Situation womöglich noch verbessern. - Und noch ein anderer Gedanke: Es ist wie mit der Henne und dem Ei: Was war zuerst da: Das Schreien der Nazis ("Deutschland den Deutschen") oder das Schreien der Antifa ("Nie wieder Deutschland")? Sowohl das eine wie das andere ist Sch..., und ich habe jeden Demonstrationszug fluchtartig verlassen, sobald nur einer solche Hetze schreit. Aber sowohl das eine als auch das andere hat leider für Leute, die nicht denken wollen, eine starke Anziehungskraft. Und dort ist das eigentliche Problem. Wehret den Rattenfängern!
Mit freundlichem Gruß
Johannes
Lieber Johannes Lehnert,
offen gesagt sollten uns die Flüchtlinge am Herzen liegen - und zwar weil sie in Not sind. Keine Rolle dabei sollte spielen, ob sich die Aufnahmen von Flüchtlingen "rechnet" oder nicht. Insofern ist die Bertelsmannstudie nicht maßgeblich für mich (wenngleich sie als Argumentationshilfe gegen die verbreitete Ansicht von der "Sozialsystem-Einwanderung" natürlich sinnvoll ist). Dass sehr leistungsbereite Leute kommen - und bleiben - bedeutet auch, dass diese ihren Ländern nicht mehr zur Verfügung stehen. Und ein Aderlass von Fachkräften zugunsten Europas und zulasten der Drittweltstaaten ist auch nicht so sinnvoll und kann nicht im Sinne der Herkunfststaaten sein. Es hat den neuen Bundesländern auch nicht gut getan, so viele gute Köpfe in die alten Länder zu verlieren - die mit besseren wirtschaftlichen Möglichkeiten locken konnten. Derlei Migration hat eben wirklich zwei Seiten. Bei Kriegsflüchtlingen, politisch und religiös Verfolgten oä. aber ist die Lage natürlich völlig eindeutig.
Ich sehe in den "Rattenfängern" durchaus auch ein Problem - vor allem das: dass es durch sie nicht möglich ist, in der Sache zu reden und evtl. Probleme in Augenschein zu nehmen, nüchtern zu überlegen und zu entscheiden, was dann zu tun ist. Eigentlich aber müsste man in der Sache tätig sein, um den "Rattenfängern" nachhaltig das Wasser abzugraben. Solange es immer nur Gegendemonstrationen beim leistesten Missklang gibt, ändert sich ja faktisch nichts. Ich fand es sehr beachtlich, dass unser Ministerpräsident Tillich immerhin gesagt hat, man müsse mit Leuten von zB. "Pegida" reden. Das ist schon wesentlich mehr, als die meisten tun wollen. Gegendemonstranten reicht es in der Regel aus, lauter gerufen zu haben - in der irrigen Annahme, es ginge nur gegen "Rattenfänger". Aber eigentlich geht es um Probleme.
Freundliche Grüße,
Manuel
Beifall, weil die Residenzpflicht abgeschafft ist (auch wenn noch das Anerkennungsverfahren läuft), wie höchst politisch wollen sie sich den lieber Johannes noch äußern? Stürmischer Beifall für das was mit dem Liebesgebot Jesus kaum etwas zu tun hat oder Ihr den Judas dieser (Ihrer) Welt in den USA ausmachen. Also in meiner in der Kirche (EKD) im Erzgebirge sprich man nur über Gott.
Lieber Herr Lehnert, der von Ihnen zitierte Herr Mazyek ist jemand, der auch in öffentlichen Diskussionen ein sehr konservatives Islambild propagiert. Er ist jemand, der die Schuld immer bei allen anderen zu finden weiß.
DAS gehört, so denke ich, auch zum "Mainstream". Man sucht nach Schuldigen.
Eine argumentative und kritische Auseinandersetzung mit dem Islam ist ganz sicher kein Rassismus, denn der Islam selbst kennt keine Rassenschranken. Leider wird das nur zu oft übersehen. Was Herr Mazyek tut, nämlich alles in einen topf zu werfen und diesen dann noch mit "Teilen des Bürgertums" zu garnieren, ist etwas, was auch eine "gefährliche Gemengelage" erzeugt.
Er hat Recht. Rassismus ist keine Meinung. Rassismus ist Dummheit. Aber wer den Islam betrachtet und ihn dann, in seinen Auswüchsen, kritisiert, der ist kein Rassist.
Wer von den Menschen, die hilfesuchend hier zu uns kommen, erwartet, dass sie unsere Gesetze akzeptieren und sich mühen, sie zu befolgen, der ist auch kein Rassist, sondern er erwartet eine Selbstverständlichkeit.
Wer geifert, weil dieser oder jener dieses oder jenes erhält, was ihm, nach Meinung des Geifernden nicht zusteht, ist auch kein Rassist, sondern nur ein Neidhammel.
Was Pegida anbelangt, sehe ich hier etwas, was kaum Mainstream ist, sondern eine Welle, die sich aufbaut und getrieben wird von Unverständnis und Missverständnis und dem Gefühl von Menschen, nicht mehr Herr im eigenen Land zu sein, im Stich gelassen von denen, die ihnen bei einer Welterklärung helfen sollen, die sie allein nicht bewerkstelligen können.
Herrn Mazyeks Ausführungen sind dabei sicherlich nicht sonderlich hilfreich, sondern dürften die, die gern Antworten hätten, kaum dazu bringen, weniger auf die Straßen zu gehen.
Ich werde gewiss nicht gemeinsam mit Pegida auf die Straße gehen. Aber ebenso gewiss werde ich mich bei keinem "breiten Bündnis" eingliedern, das letztlich keine wirklichen Antworten auf die Fragen hat, die unsere Gesellschaft umtreiben.
Dafür werde ich immer wieder versuchen, dort, wo ich bin, den Menschen ihre Fragen zu beantworten, die sie an mich herantragen und in der Gemeinschaft mit allen, die hier vor Ort Verantwortung tragen, denen, die vielleicht hier her kommen, helfen, zur Ruhe zu kommen und ein wenig Frieden zu finden.
Gert Flessing
Es ist natürlich richtig, dass möglicherweise auch am anderen Ende des Spektrums Emotionen und psychische Prozesse bei der eigenen Haltung eine große Rolle spielen. Meine Ausführungen hierzu waren auch reichlich spekulativ, sehr von meinem subjektiven Empfinden im Umgang mit einigen Rechts-Sympathisanten geprägt und bedürften - meiner eigenen Diktion folgend - eigentlich erstmal einer Objektivierung. :-) Ich wollte damit auch nicht behaupten, dass bei allen, die rechte/rechtextreme Positionen vertreten, schwer wiegende psychische Prozesse eine Rolle spielen.
Aber ich habe schon vielen Menschen zum Themenbereich Flüchtlinge und Ausländer zugehört und war dabei oft erschrocken über das hohe Maß an Aggressivität und Feindseligkeit gegen die Flüchtlinge und Ausländer. Da stellt sich mir unweigerlich die Frage, welche Defizite bei der betreffenden Person wohl eine Rolle spielen mögen, dass sie derart hasserfüllt das Wort führt und es selber noch nicht einmal merkt. Mich entsetzt das Ausmaß an Menschenverachtung gegenüber dem Fremden. Und oft genug wird diese kaschiert mit Hinweis auf die Meinungsfreiheit und legitimiert mit der Aussage, dass es einem ja nur um die Sache gehe.
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