Verehrtester, Ihre Affinität zu mir wird mir langsam unheimlich... Mein lieber Patenonkel würde Ihnen sicher gern sehr festes, zugegeben etwas sperriges, italienisches Schuhwerk zukommen lassen, dazu einige Hektolitern Herztröpfchen ;-)?
Zumindest hatte ich Sie im Statement weder angesprochen noch vorrangig im Visier, da Ich auf Ihre Gesundheit peinlichst bis Gründonnerstag achten muß.
Die Welt in schwarz und weiß
Fundamentalismus ist ein Kind der Angst: Die einen fürchten um ihre Freiheit, die anderen um Gottes Wort. Auch in Sachsens Landeskirche ist das zu spüren.Religion rüttelt die Menschen wieder. Auf die gesamte Menschheitsgeschichte gesehen ist das nichts sonderlich Neues – im weitgehend atheistischen Ostdeutschland allerdings schon. Zehntausende gehen auf sächsische Straßen gegen die Islamisierung des Abendlandes, Islamisten wiederum drohen mit Terroranschlägen in Dresden, und Fernsehsender recherchieren alarmierend so wie gerade der MDR über christlichen Fundamentalismus.
Hat das eine mit dem anderen zu tun? Nein – und irgendwie doch. Der Begriff des Fundamentalisten ist eine christliche Erfindung, konservative Protestanten in den USA gaben sich vor gut 100 Jahren selbst diese Bezeichnung. Sie wollten mitten im Strudel der Moderne zurück zum Fundament, zur irrtumslosen Bibel – gegen eine liberale Theologie, die historisch-kritisch jeden Stein in ihr umdrehte.
Heute ist der Begriff zum Angstbild geworden. Und zur rhetorischen Keule. Je fremder einer Gesellschaft die Religion wird, desto furchterregender erscheint sie ihr, wenn sie mehr beansprucht als nur Wellness für die Seele. Eine linksliberale Öffentlichkeit hat Angst vor einem konservativen Christentum, die Konservativen von Pegida haben Angst vor einem konservativen Islam. Auch Salafisten wollen schließlich zurück zur reinen Lehre. Das Urteil: Fundamentalismus.
Was die Kritiker am stärksten beunruhigt: Dass Gläubige aus heiligen Schriften Forderungen ableiten für die ganze, im Osten mehrheitlich nicht-gläubige Gesellschaft. Das muss als Bedrohung gesehen werden. Scharia statt Grundgesetz? In Deutschland bislang undenkbar. Doch auch der jährliche »Schweigemarsch für das Leben« in Annaberg-Buchholz, bei dem hunderte Christen gegen straffreie Abtreibungen protestieren, wird in einer Studie der grünen Böll-Stiftung als Beleg für Fundamentalismus – diesmal christlicher Art – angeführt.
Oder die Debatte über gleichgeschlechtliche Paare in Pfarrhäusern, die seit Jahren in Sachsen schwelt. Eliten in Politik, Medien und Kirchen mutet das archaisch an, oder gar rechtsextrem: Haben Grundgesetz, Wissenschaft und aufgeklärte Menschenfreundlichkeit da nicht längst das letzte Wort gesprochen? Dass Gläubige sich in ihrer Ablehnung von Homosexualität durch die Heilige Schrift gebunden fühlen, können sie nicht verstehen. Beide Seiten begegnen einander nicht selten mit einem Gefühl von moralischer Überlegenheit. Den Unmut der Unverstandenen schürt das nur noch weiter. Siehe Pegida.
Neu ist dieser Konflikt nicht. Stellt man sich die Propheten des Alten Testaments lebendig vor Augen, man würde sie heute Fundamentalisten nennen. Radikale, Feuerköpfe, göttliche Rechthaber. Ihnen ging es freilich mehr um Gerechtigkeit als um Homosexualität, um die Treue zu Gott und eine gepfefferte Watsche an eine blasse Amtstheologie ging es ihnen aber auch.
Was heute aber wirklich neu ist: Mit Gott lässt sich in einer Gesellschaft, in der viele an keinen Gott mehr glauben, nicht länger Politik machen. Die Menschen sind so frei von Bevormundung wie noch nie, und sie wollen es bleiben. Auch die Gläubigen leben – gebunden nur an Gott und ihr Gewissen, wie es Luther und die Pietisten vordachten – ihren Glauben so individuell wie noch nie. Doch zugleich suchen nicht wenige Gläubige im Meer dieser Freiheiten nach sicheren Fundamenten. Sie suchen im Überfluss all der Zweideutigkeiten das Eindeutige, das Wahre. Das Schwarz und das Weiß.
Das kann hart machen. Oder weich, wo sich das Eindeutige in der Liebe Gottes zu den Menschen finden lässt. Dies könnte ein Fundament sein, auf dem sich auch Nicht- und Andersgläubige treffen könnten. Ein Fundamentalismus ohne Bedrohung und Angst.
Britta schreibt:
02. Februar 2015, 23:05
Liebe Britta,
das kann gut sein. Die treffen sich ja schon länger. Und sie reden auch über kontroverse Themen.
Ist das Christentum denn hier zu Hause? Ursprünglich ja wohl nicht. Lesen Sie doch mal das Heliandslied (http://gutenberg.spiegel.de/buch/der-heliand-4496/2 ) - da merken Sie die Einwurzelung des Fremden. Fremdheit ist also kein Kriterium (http://www.der-postillon.com/2013/12/heiden-beklagen-unterwanderung-von.... ).
In der Satire-Sendung ging es darum, dass das, was heute hier von Leuten über Fremde gesagt wird, damals schon von einer Westdeutschen über die ostdeutschen Aussiedler gesagt wurde. "Ich hab ja nichts gegen … Natürlich müssen die irgendwo … Aber doch nicht gerade hier."
Gefühlt und geschehen – das ist so eine Sache. Wenn sich im Ausland ein Deutscher mies benimmt, heißt es nicht: Der N.N benimmt sich … Sondern: Die …! - so ist das eben. Und ehrlich: Wenn Sie zwischen Polen und Deutschland wählen müssten, wo würden Sie denn hingehen? Haben Sie mal versucht, polnisch zu lernen? Im Ernst: Ja, Europa brauchte eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge. Allerdings hieße das, dass mehr Flüchtlinge nach Deutschland kämen.
Es gab im Mittelalter ein paar Toleranzdenker – nicht nur den Staufer. Abaelard hat einen Dialog zwischen einem Juden, einem Christen und einem Philosophen (Muslim!) geschrieben – naja bisschen anstrengend (Übrigens witzig, dass diese Form des Fragens und Antwortens heute noch genutzt wird – nicht nur von Paul. Es gibt einen Muslim, der dieses Spiel sehr schön spielt. Um die Fundis nicht zu sehr zu verunsichern, stelle ich die Seite hier nicht ein. Aber wenn Sie wollen, schicke ich Sie Ihnen per Mail. Da werden Sie Argumentationsstrukturen wiederfinden, die Sie noch von Bastl und aktuell vom Beobachter kennen [Und dazu gibt es einen wirklich hübschen Gedanken bei Paul Feyerabend – der Beobachter sollte sich besser Teilnehmer nennen.]). Und er wollte gern aus dem Reich der Christen fliehen, um bei den Feinden Christi – den Muslimen – ein christliches Leben führen zu können.
Und wenn wir ins Mittelalter schauen – oder gern bis in letzte Jahrhundert – würden wir wahrscheinlich bescheidener werden. Ich habe noch eine Dogmatik im Regal stehen, in der die Todesstrafe christlich legitimiert wird. Ich persönlich halte die Aufklärung für eine Konsequenz des Christlichen – und das "eine" können Sie jetzt unterschiedlich betonen – aber sie musste allzu oft gegen die Kirchen durchgesetzt werden. Humanität war nicht die Stärke des christlichen Abendlandes. Und wir müssen immer (noch und wieder) um sie kämpfen. Dagegen war Inhumanität nicht immer das Markenzeichen islamischer Gesellschaften – wobei wir da nicht nach unseren heutigen Maßstäben messen können.
Ihrem Staufer würde ich gern noch mal einen Zeitgenossen zur Seite stellen. Sie wissen, wen ich meine? Schauen Sie sich doch mal sein Konzept an – wirklich jesuanisch (würde ich sagen).
Für MuslimInnen wie für ChristInnen und alle anderen gilt natürlich die Begrenzung durch die Rechtsnormen. Darauf ist zu achten – im Sinne eines liberalen Staates, der eben nicht alles einschränkt und vieles ermöglicht (auch Friedensrichter!). Solange die Grenzen klar sind, ist das kein Problem. Eine Grenze: Keine Opfer! Niemand ist Mittel für die Zwecke anderer (gilt auch für Evangelisten).
Und die letzte Chance → So alt sind wir beide noch nicht (wobei ich in Pegida nie eine Chance gesehen habe).
Herzlich
Ihr Paul
Sehen Sie, verehrte Frau Britta, wir sind gar nicht nötig.
Liebe Britta, Stichtag war doch Gründonnerstag. Bis dahin halten Sie die Herztröpfchen bitte noch unter Verschluß. Es kann noch viel passieren; z. B kommt hoffentlich der Frühling und mit ihm angenehmeres Wetter ...
Ich drücke Ihnen meinen unparteiischen Daumen!
A.Rau
Lieber Herr Rau,
gönnen wir doch dem Aufrechten die Vorfreude - das war doch schon immer die schönste und neben der Schadenfreude auch die echteste Freude :-) Natürlich bin ich kein voreiliger Mensch, heute stand z.B. in der Quali-Tagespresse etwas von Einwanderungsgesetz, ups, dieses Wort kam doch lange nicht mehr von den Etablierten... Cegida hatte aus dem Stand 600 Leute, darunter z.B. Urgesteine der Evangelisation, was mir zeigt, daß es sich eben nicht um eine Hexen-, äh Naziveranstaltung handelte, und das, obwohl der Start der 9.2. sein sollte. Und, obwohl kein Gratiskonzert lockte, es keine Luftballons gab, kein Stundenlohn abzugreifen war... Nun, wir werden sehen, hat auch Unterhaltungswert...
Liebe Grüße
Britta
Liebe Britta,
habe mich auch gefreut, davon zu hören!
P.S. Laut Cegida selbst waren es sogar ca. 1000! Und wer da alles war und was die zu berichten hatten.
Zum Beispiel, daß auf der "Gegendemo" ein Großteil (rangekarrte/drängte?) Kinder und Jugendliche waren, die gar nicht wußten,um was es ging!
Bissgen armselig, Verehrteste, finden Sie nicht? Wenn Sie jetzt schon das dürftige 500 Mann - Aufgebot des Chemnitzer Karnevalsvereins als Erfolgsmeldung aufbieten müssen nach den glorreichen 50000-Leute-Träumen in der Hauptstadt der Bewegung - na, dann ist Mathäii aber so was von am Letzten, schlimmer geht´s wohl nicht mehr.
Übrigens zu den Zahlen der Polizei was Aufklärendes: http://www.der-postillon.com/2015/02/postillon-liveticker-von-der-14-peg...
Na ja, und wenn Sie denn auch noch die allerletzte Hoffnung auf die größtmögliche aller Koalitionen und einen Punkt, der im Koalitionsvertrag nicht verankert ist, werfen müssen, ohjehminej! Na ja, die Hoffnung stirbt zuletzt ... aber sie stirbt! Wirklich witzig finde ich ja nur, dass Sie nun im Interesse Ihres Krabbelwassers sich eher an die Sozies dran hängen müssten. Glückwunsch und belustigtes jawoll!
Was tut man nicht alles, Verehrtester, um Ihnen auf die alten Tage etwas Belustigung zu verschaffen... Allerdings finde ich es blasphemisch, den aufrichtigsten und somit streitbarsten Evangelisten der DDR in einen Karnevalsverein zu verorten. Aber bitte, ich gönne Ihnen natürlich von Herzen jegliche Freude! Soll ich Ihnen mal was verraten: es gibt sogar Punkte, bei denen ich mit Sahra Wagenknecht oder Gregor Gysi einer Meinung bin...
Verehrteste, im Gegensatz zu Ihnen hat der von Ihnen so Hochgeschätzten (und fast katholisch Verehrte) bei mir diesen Status nicht. Schon weil ich ihn als promovierten Fachmann einer Musikrichtung kenne, die ich nicht so besonders schätze. Da bin ich im Hinblick auf den Vorwurf der Blasphemie ganz gelassen.
Und mit Ihrem Outing in Bezug auf die Feuerroten haben Sie weiter Minuspunkte bei mir gesammelt, Jawoll!
Tja, Verehrtester, Ihre Minuspunkte machen mir sehr zu schaffen... Andererseits zogen die echten Nachfolger des Herrn Jesus auch nicht nur Wohlgefallen auf sich, unter dieser Prämisse werde ich versuchen, es zu verschmerzen. Das unterscheidet uns eben und das eint mich mit Paul (was Ihresgleichen so erstaunt), daß für mich eine Meinung nicht falsch sein muß, wenn sie jemand äußert, mit dem ich sonst nichts gemein habe.
Ist es abwertend, wenn jemand als Hobby Bluesmusik hat (die ich auch nicht sonderlich schätze)? Das ist kindisch, aber gut, man sagt ja, im Alter wird man wieder Kind... Ich verlange ja auch nicht, daß sich andere für römische Numismatik (im Gegenteil, wenn einem an erschwinglichen Preisen gelegen ist) oder z.B. Mireille Mathieu interessieren...
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