Gespräch ohne Prozess
Den Streit über gleichgeschlechtliche Paare in Pfarrhäusern sollte ein dreijähriger Gesprächsprozess befrieden. Jetzt ist die Zeit vorbei – aber nicht der Konflikt.Es war eine Sternstunde der sächsischen Synode, keine Frage. Die Fronten waren verhärtet, und plötzlich schienen sie weich zu werden. Konservative Christen erzählten auf der Frühjahrstagung der Landessynode vor genau drei Jahren, warum sie mit Homosexuellen Bergsteigen gehen – und sich dennoch an das biblische Verbot gleichgeschlechtlicher Liebe gebunden fühlen. Und Liberale bekundeten, wie sehr ihr Herz an der Bibel hängt – und gerade deshalb offen ist für Beziehungen zwischen Männern oder Frauen.
Man einigte sich nicht damals. Einzig auf die Hoffnung, dass nur ein solches Gespräch die Lösung sein kann: in der gesamten Landeskirche, drei Jahre lang. Ein Gesprächsprozess. Manche Beobachter der Frühjahrstagung von 2012 waren schon damals skeptisch: Wie sollte das zarte Pflänzchen des gegenseitigen Verstehens in der raueren Wirklichkeit außerhalb der Dresdner Dreikönigskirche überleben?
Es fand keinen guten Boden in Sachsens Landeskirche. Er war schon hart geworden durch die Fakten, die geschaffen worden waren: Den Beschluss der Kirchenleitung, in Ausnahmefällen homosexuelle Partnerschaften in Pfarrhäusern zuzulassen einerseits – und die von 144 Kirchenvorständen unterzeichnete Markersbacher Erklärung gegen diesen Beschluss andererseits. Wie aus Pandoras Büchse purzelten plötzlich allerlei Probleme, die lange im Fundament der Landeskirche geschwelt hatten und von denen die Haltung zur Homosexualität nur eines unter vielen war. Es ging um Konflikte zwischen verschiedenen Arten, die Bibel zu lesen, zwischen Kirchenbasis und Kirchenleitung, Herzensglauben und akademischer Theologie, Widerstand und Anpassung an gesellschaftliche Entwicklungen, zwischen dem Wunsch nach Einfachheit und der Komplexität der modernen Welt. Zum Beispiel. Und all das aufgeladen mit der Wucht letzter, religiöser Fragen.
Diesem Sturm konnte das Pflänzchen des Verstehens und Gespräches nicht standhalten. Bei den ersten großen Podien des Sonntag fegte er besonders heftig. Da wurde seitens der Kritiker Verzweiflung und Zorn abgeladen, bis an die Grenze verbaler Gewalt. Die Vertreter der Kirchenleitung wiederum konnten mit universitär ziselierter Theologie kaum die Herzen der Andersdenkenden erreichen.
Der Gesprächsprozess schien wie in Beton gegossen. Nur in kleineren Runden – etwa bei einem Kirchvorstehertag in Chemnitz – bekam er Risse. Weil da keine Thesen mehr zählten, sondern konkrete Geschichten: etwa vom Sohn der bibeltreuen Kirchvorsteherin, der einen Mann liebt – und der neben ihr das Abendmahl empfängt.
Meist aber blieben beide Seiten unter sich. Die Kritiker der Öffnung für homosexuelle Paare gründeten die Sächsische Bekenntnisinitiative und stärkten einander – die Befürworter hatten den Kirchenleitungsbeschluss auf ihrer Seite und die Zusicherung, dass an ihm nicht gerüttelt werde. Zwischen diesen Fronten fand sich mancher Pfarrer und mancher Kirchvorsteher wieder, oft zerrieben. Zerrieben wurde auch viel Vertrauen.
Je länger der Gesprächsprozess währte, desto mehr versandete das Gespräch. Bei den einen, weil sie andere Themen viel wichtiger fanden – bei den anderen aus Müdigkeit angesichts eines ausbleibenden Ergebnisses. Doch in der Sache geändert hat sich in den letzten drei Jahren kaum etwas: Konservative Christen fordern noch immer die Aufhebung des Kirchenleitungsbeschlusses und heben nun auch weitere Streitpunkte wie die Dominanz der historisch-kritischen Auslegung in der Theologie auf die Tagesordnung – und noch immer lebt kein homosexuelles Paar dauerhaft in einem sächsischen Pfarrhaus. Ein schwebender Zustand.
Sicher ist nur, dass auch Zustände nicht auf Dauer schweben können.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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