Richtig! Die Chance der Kirche liegt im Kleinerwerden. Und was macht die Kirche? Propagiert Fusionen zu Megagemeinden, baut Verwaltungspaläste und bauscht den Bürokratenapparat künstlich auf. Falsch!
Dienende Kirche werden
Innerlich wachsen: Das Schrumpfen der Kirche kann auch eine Chance zum Neuanfang sein, fand der Theologe Dietrich Bonhoeffer – für eine bescheidene Kirche des Betens und der Tat.Propheten kann man gernhaben. Sie sind schon tot, weit weg, die Schärfe ihrer Worte ist zu frommer Besinnungsliteratur geronnen. Weh tun sie nicht mehr. Dietrich Bonhoeffer ist so ein Prophet, ihm ergeht es nicht anders. Dabei hätte er seiner evangelischen Kirche einiges zu sagen. Nähme sie es ernst, würde es schmerzhaft.
Dass Bonhoeffer ein Prophet war, zeigen allein schon die Zahlen: Auch Sachsens Landeskirche schrumpft und schrumpft, in den nächsten 23 Jahren um weitere 40 Prozent, so die Prognose der Kirchenleitung. Trotz Reformprozessen, trotz Luther-Dekade, trotz allerlei Konzepte zum Gemeindewachstum. Bonhoeffer hat diese Entwicklung vor über 70 Jahren vorausgesehen: »Unsere Kirche, die in diesen Jahren nur um ihre Selbsterhaltung gekämpft hat, als wäre sie ein Selbstzweck, ist unfähig, Träger des versöhnenden und erlösenden Wortes für die Menschen und für die Welt zu sein.«
Bonhoeffer schrieb diese Zeilen in Nazi-Haft, er hatte eine Kirche vor Augen, die Hitlers Helfern kaum widerstand. Doch seine Diagnose der inneren Schwäche seiner Kirche greift viel tiefer – und trifft auch heute. »Die Kirche der Priester will etwas sehen. Sie will nicht mehr warten. Sie will selbst ans Werk gehen, selbst handeln, selbst tun, was Gott nicht tut«, predigte Bonhoeffer über die Geschichte vom Priester Aaron und dem goldenen Kalb. »Als solche Kirche kommen wir immer wieder zum Gottesdienst zusammen.« Die Wurzel allen Übels in der Kirche sieht Bonhoeffer in der »Anbetung der Kraft« und im »Illusionismus«. Heute ließe sich übersetzen: In der Annahme, mit noch so ausgefeilten Konzepten zum Gemeindewachstum ließe sich der Trend noch umkehren und die Kirche könnte so bleiben, wie sie ist.
Kann sie eben nicht, entgegnete Bonhoeffer. Sie soll es auf keinen Fall. »Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist«, beginnen seine berühmten Zeilen aus dem Gefängnis. »Um einen Anfang zu machen, muss sie alles Eigentum den Notleidenden schenken. Die Pfarrer müssen ausschließlich von den freiwilligen Gaben der Gemeinden leben, eventuell einen weltlichen Beruf ausüben. Sie muss an den weltlichen Aufgaben des menschlichen Gemeinschaftslebens teilnehmen, nicht herrschend, sondern helfend und dienend.«
Das ist radikal. Es verlangt Umstürzendes von den Pfarrern – aber mehr noch von den Gemeinden. Salz der Erde statt Betreuungskirche. Mit vollem Risiko. Ist das nur die Spinnerei eines aufrechten, aber etwas weltfremden Theologen hinter Gittern? Nein, glaubt die kleine Schar des sächsischen Ablegers der Internationalen Bonhoeffer-Gesellschaft, die kurz vor ihrer Auflösung mangels Mitstreiter Ende letzten Jahres noch ein Arbeitsheft für Gemeindekreise und Schulen zum Kirchen-Begriff des großen Theologen herausbrachte.
Der Prophet Bonhoeffer öffnet wie alle Propheten einen Horizont. Er zeigt Möglichkeiten, die im Klein-Klein der Sachzwänge als undenkbar gelten. »Unser Christsein wird heute nur in zweierlei bestehen: im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen. Alles Denken, Reden und Organisieren in den Dingen des Christentums muss neugeboren werden aus diesem Beten und diesem Tun.« Und das können Christen selbst im kleinsten Dorf und ohne kirchlichen Apparat. »Nicht durch Begriffe, sondern durch Vorbild bekommt ihr Wort Nachdruck und Kraft.«
Der Prophet Bonhoeffer war auch ein großer Realist. Was er erhoffte: »Aus der ungeduldigen Kirche wird die Kirche des stillen Wartens.« Für ihn war das sehr viel.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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