Kirche zu klein gehofft?
Kürzungen: Die Prognose der Kirchenleitung über stark zurückgehende Mitgliederzahlen und Finanzen stößt auf Zweifel – ebenso wie die Kürzungen. Politiker bedauern bereits ihren strengen Sparkurs.Man kann nicht sagen, dass die Kirche keine Erfahrung hätte mit unsichtbaren Dingen. Doch das hier ist selbst für viele Christen in Sachsen kaum zu glauben: Ihre Landeskirche fährt von Jahr zu Jahr neue Rekordeinnahmen ein – und gleichzeitig kürzt sie mit Verweis auf sinkende Mitgliederzahlen schon jetzt manchen Gemeinden faktisch Pfarrstellen.
Den vogtländischen Pfarrer und Krankenhausseelsorger Rainer Zaumseil plagt da schon lange ein Zweifel. »Theologen sind meist keine Mathematiker und wenn es um Millionen-Beträge geht, klinken sie sich aus«, hat er in seiner langjährigen Arbeit als Mitglied der Landessynode, in der er auch die Arbeitsgruppe zur Verwaltungsreform leitete, beobachtet. Er kritisiert, dass die Prognosen des Landeskirchenamtes nicht hinterfragt würden. Dass sie viel zu pessimistisch seien – und mit Frustration und Austritten einen Abwärtstrend erst in Gang brächten. »Seit 2003 nehme ich eine Ängstlichkeit wahr, die den Tatsachen nicht entspricht. Die Prognose des Landeskirchenamtes wirkt schon jetzt wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.«
Der Leubnitzer Pfarrer hat kurzerhand das Statistische Landesamt um eine Berechnung gebeten. Die Antwort: »Je nach Ansatz erhalten wir für das Jahr 2040 eine voraussichtliche Zahl von 490 000 bis 550 000 evangelischen Christen in Sachsen.« Das Konzept der Kirchenleitung »Kirche mit Hoffnung« sagt 416 000 Gemeindeglieder voraus.
Die staatlichen Statistiker aus Kamenz haben ihre Prognose aus zwei Elementen ermittelt: aus ihrer Vorausberechnung über die sächsische Gesamtbevölkerung in den nächsten Jahrzehnten und mit einem je nach Geburtsjahr und Geschlecht konstanten Anteil der Evangelischen in ihr. »Doch die Mitglieder unserer Landeskirche sind im Durchschnitt viel älter als die Gesamtbevölkerung und die Taufzahlen sinken drastisch«, hält der Finanzdezernent der Landeskirche, Oberlandeskirchenrat Michael Klatt, den staatlichen Berechnungen entgegen. »Das ist in ihrem Modell nicht drin.«
Die Fakten zeigen einen Trend. Gab es im Jahr 2000 noch 6032 Taufen von Kindern bis zum 14. Lebensjahr, waren es 2015 noch 5140 – trotz steigender Geburtenzahlen. Zugleich aber konnte sich etwa 2011, als die Landeskirche mit einigem Aufwand das »Jahr der Taufe« ausgerufen hatte, die Entwicklung auch umkehren. Der Abwärtstrend ist offenbar kein Naturgesetz.
Das gilt ohnehin für die Einnahmen der Landeskirche. Vor elf Jahren sagte das Landeskirchenamt für 2017 einen stark gesunkenen Haushalt von 125 Millionen Euro voraus – tatsächlich wurden es dank blühender Wirtschaft und Steuern 100 Millionen Euro mehr. »Ein Strohfeuer, leider«, warnt der Finanzdezernent Michael Klatt.
Der vogtländische Pfarrer Rainer Zaumseil rät noch an einem anderen Punkt zum genaueren Hinsehen, bevor gekürzt wird. Wohin ist all das zusätzliche Geld geflossen? Um 55 Millionen Euro erhöhten sich die landeskirchlichen Einnahmen in den letzten zehn Jahren. Die kirchliche Sozialarbeit und Diakonie bekam davon nur 1,6 Millionen Euro ab – trotz stark steigender Kosten sank ihr Anteil an den Gesamtausgaben der Landeskirche. Auch anderen kirchlichen Einrichtungen geht es so. Dagegen wuchsen die Ausgaben für Leitung und Verwaltung von 12,9 Millionen Euro auf 19,4 Millionen Euro. Und um 40 Millionen Euro steigerte sich der Etat, aus dem vor allem das Personal für Gemeinden und Kirchenbezirke sowie Pensionen bezahlt werden.
Nach dem hohen AfD-Ergebnis bei der Bundestagswahl wird in der Politik gerade heftig über die gesellschaftlichen Folgen eines strengen Sparkurses diskutiert. Der galt vor kurzem noch als alternativlos.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
Zum Vergrößern hier klicken.
Weitere Impressionen finden Sie hier.