Gottes Liebe trägt
Buß- und Bettag: Der Feiertag hat für die meisten keine religiöse Bedeutung mehr. Die Rede von Sünde und Buße ist fremd geworden. Doch spricht man stattdessen von Angst, erscheint alles in neuem Licht.
Auf meinem Weg zur Arbeit fahre ich an großformatigen Werbeplakaten vorbei. »Einkaufen am Buß- und Bettag«, steht da in großen Lettern. Ein sachsen-anhaltinischer Einkaufspark wirbt damit um sächsische Kunden am Buß- und Bettag.
Es scheint das neue Ritual dieses sächsischen Feiertags zu sein, scharenweise ins Nachbarbundesland zum Shoppen zu fahren. Alljährlich titeln danach die Zeitungen: »Sachsen überrennen den Einkaufspark«. Zu büßen und zu beten scheint es wenig zu geben. Die Sache mit der Sünde hat sich für die meisten erledigt. Und auch in der Kirche werden die Stimmen lauter, die einen Abschied von Sünden-Rede und Buße fordern. Die Berliner Kirchenzeitung verbreitete kürzlich die Schlagzeile: »Schluss mit Sünde«. In dem Beitrag schrieb der Theologe Klaas Huizing: »Die Vokabel ›Sünde‹ besitzt eine dunkle Kraft. Sie macht klein und sorgt dafür, dass man sich schmutzig fühlt.«
Huizing möchte das »sündenverbiesterte Menschenbild« von Augustinus und Luther verabschieden. Denn nicht die Angst vor der Hölle bewege die Menschen heute, sondern die Frage, wie sinnvoll und gut zu leben sei. Es gelte zu lernen, dass der Mensch nicht grundsätzlich verdorben sei, sondern zur Kraft seiner Selbstbestimmtheit und Selbstbeherrschung ermutigt werden solle.
Keine Frage: die Rede von der Sünde ist nicht unproblematisch. Sowohl in ihrem schlüpfrigen Sinn, der ihr im allgemeinen Sprachgebrauch anhängt. Als auch als moralische Drohgebärde, die im christlich-fundamentalistischen Bereich gepflegt wird. Über die Banalisierung der Sünde in Werbung und im Alltagsgebrauch muss nicht viel gesagt werden. Wenn von der Sünde nicht mehr übrig ist als die Vorstellung, dass es auf der Alm »koa Sünd« gibt, muss die Säkularisierung als ein weitgehend abgeschlossener Prozess betrachtet werden.
Doch auch die obsessive Versteifung des Fundamentalismus auf eine Sündenlehre, die sich um Fragen der Sexualität dreht, ist problematisch. Für den Prager Theologen Tomáš Halík »stellt dieser Typus eines offensichtlichen Pharisäertums, das Moral mit ›moralischer Empörung‹ verwechselt, eine der großen moralischen Bankrotterklärungen des gegenwärtigen Christentums dar«.
Tatsächlich ist es schwierig, die Menschen einzuteilen in »Gute« und »Böse« und den »Bösen« mit der Strafe Gottes zu drohen. Denn Jesus selbst hat sich verwahrt gegen diese falsche Gerechtigkeit, die am Ende doch nur Selbstgerechtigkeit ist. Der Theologe und Psychotherapeut Eugen Drewermann betont, dass Jesus einen Gott verkündigt hat, der nicht straft und verstößt, sondern den Verlorenen nachgeht. Denn »das Böse« tun die Menschen nach seiner Überzeugung nicht, weil sie »böse« sind, sondern weil es ihnen an erfahrener Güte mangelt. Jesus habe deshalb Gott als einen bedingunglos liebenden Vater verkündet, damit sich Angst beruhigt und Böses überliebt werde.
Schon Sören Kierkegaard (1813–1855) hat das Wort »Sünde« ersetzt durch »Verzweiflung«, um damit den eigentlichen Sinn der Erbsündenlehre zu zeigen: Durch den Menschen geht ein Riss der Angst, der ihn mitunter böse sein lässt, obwohl er es nicht will.Deshalb sollte in der Beichte und Seelsorge Drewermann zufolge nicht die Frage gestellt werden: »Was hast du gemacht?« Sondern: »Was hat man mit dir gemacht?« Statt den moralischen Zeigefinger zu erheben, sollte der Einzelne »in einen Raum absoluter verstehender Akzeptanz« geführt werden.
Das ist die Pointe des Christentums, dass Jesus die verlorenen Menschen an die Hand nimmt und sie zurückführt in das Paradies – vorbei an den Engeln mit den Flammenschwertern und hinein in die Geborgenheit eines unzweideutig gütigen Gottes.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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