Schule darf nicht behindern
Barrieren: Schüler mit Behinderungen sollen auch in Sachsen nicht mehr ausgegrenzt werden – doch in der Praxis gibt es dabei große Hürden. Und neue Wege.
Elias kann kluge Antworten geben, kennt sich aus in biblischen Geschichten und zeichnet gut. Aber berühren lässt sich der 14-jährige Schüler, der in Wirklichkeit anders heißt, nicht gern. Auch das Schreiben fällt ihm schwer. Er ist Autist. Und er besucht den Religionsunterricht einer ganz normalen Leipziger Oberschule. Nur dass er Leistungskontrollen mündlich beantworten darf und ein Schulbegleiter ihm assistiert im Unterricht.
Das nennt man Inklusion, und so will es die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen seit 2008. In Sachsen lernt heute jedes dritte Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf an einer Regelschule. Vor zehn Jahren waren es nur halb so viele.
»Doch das ist noch viel zu wenig angesichts dessen, wie viele Schüler mit Behinderungen es gibt«, sagt die Leipziger Theologin und Religionslehrerin Christiane Donath.
Ihr achtjähriger Sohn Amos war der Erste in seiner Klasse, der schwimmen kann, der ein Sportabzeichen erhält und allein nach Hause fährt – im Rollstuhl. Das Evangelische Schulzentrum Leipzig ebne ihm alle Wege, sagt Christiane Donath, doch als Lehrerin beobachtet sie an anderen Schulen: »Da gibt es viel Unsicherheit. Eltern fürchten, dass ein Inklusionskind ihrem Kind Aufmerksamkeit wegnimmt. Und auch die meisten Lehrer haben Angst vor Inklusion und werden dabei allein gelassen.«
Das Theologisch-Pädagogische Institut der Landeskirche in Moritzburg (TPI) will Pädagogen auf diesem Weg ermutigen und ihnen Handwerkszeug vermitteln. »Wir brauchen unterschiedliche Zugangsweisen zu einem Thema«, sagt TPI-Leiter David Toaspern. Die Geschichte vom verlorenen Schaf beispielsweise kann nicht nur über den Kopf verstanden werden – sondern auch über den Geruch von Gras oder Berührungen.
Inklusion heißt, den Blick zu wechseln. »Wir sehen nicht mehr auf die Defizite eines Schülers mit einer Behinderung«, erklärt David Toaspern. »Sondern wir sehen dann auf das, was ein Schüler gut kann.«
Dieser andere Blick ist auch ein biblischer. »Das Evangelium sagt allen Menschen – unabhängig von ihren Eigenschaften, biographischen Brüchen oder ihrer kulturellen Herkunft – die alle einschließende Liebe Gottes zu«, meint der Theologieprofessor Ulf Liedke von der Evangelischen Hochschule Dresden.
Diesen Anspruch der gleichen Beteiligung an Schulen mit Leben zu füllen, kostet viel Geld. Der Freistaat Sachsen stellt seinen Lehrern für Schüler mit Behinderungen mehr Wochenstunden und den freien Schulen dafür etwas mehr Zuschüsse zur Verfügung. Mit Unterstützung der EU wurden 227 Inklusionsassistenten in Sachsen eingestellt. 23 sind bei evangelischen Schulen angestellt und fünf von ihnen haben eigene Inklusionsbeauftragte, die von der Schulstiftung der Landeskirche ausgebildet wurden. »Sie berichten oft, dass es an Ausbildung und Personal fehlt, um Inklusion wirklich umzusetzen«, sagt Brit Reimann-Bernhardt von der Schulstiftung.
Während drei Viertel der körperlich und emotional beeinträchtigten Schüler sowie 62 Prozent der hör- und 48 Prozent der sehbehinderten Schüler in Sachsen eine Regelschule besuchen, sind es beim Förderschwerpunkt Lernen und geistige Entwicklung weniger als sechs Prozent. »Nicht für jedes behinderte Kind ist Inklusion zwingend der richtige Weg«, sagt die Psychologin Brit Reimann-Bernhardt von der Schulstiftung. »Auch Förderschulen bleiben wichtig.«
Die Leipziger Werner-Vogel-Schule der Diakonie geht bei der Inklusion den Weg andersherum. Sie ist eine Förderschule für geistig behinderte Kinder – und eröffnet im August eine Grundschule: für alle.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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