Geheime Mächte am Werk?
Verschwörung: Flüchtlinge, Europa, Kriege, Klimawandel – hinter allem steht ein dunkler Plan geheimer Mächte, so glauben Verschwörungstheoretiker. Warum ihre Ängste ernst zu nehmen sind.Als sich im Juni vor zwei Jahren im Dresdner Taschenbergpalais 130 Chefs von internationalen Konzernen, Banken und Medien mit führenden Politikern und Militärs zur »Bilderberg-Konferenz« trafen, tagte für viele Demonstranten hinter den Absperrgittern die geheime Weltregierung. Dresdner Friedensbewegte riefen zur Mahnwache vor dieser »Spitze des Eisberges rücksichtsloser Elitenpolitik«.
Kriege, Ungerechtigkeit, Naturzerstörung? Die Schuldigen dafür saßen für die Protestierer in dem barocken Luxushotel. Bei ihrem Protest mischten sich Rechte und Linke, Pegida und Globalisierungskritiker. Für viele auf der ganzen Welt und auch einige auf dem Dresdner Theaterplatz ist die Sache noch einfacher: Hinter den seit 1954 in wechselnden Ländern stattfindenden Tagungen der »Bilderberger« steckten »die Juden« und »die Freimaurer«.
Die Probleme der globalen Welt wachsen – und auch der Bedarf an einfachen Antworten. Verschwörungstheorien eignen sich dafür gut. Zum Beispiel entspringe der Strom der Flüchtlinge einem geheimen Plan des Finanzinvestors George Soros, um die Nationalstaaten oder ganze Völker aufzulösen – damit ließ sich mit Verweis auf die jüdischen Wurzeln des Amerikaners für Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán erfolgreich Wahlkampf machen. Klimawandel, Impfungen, Gender-Politik? Nicht wenige Deutsche wähnen dahinter Lüge und Ziele finsterer Mächte.
Die neue Welle der Verschwörungstheorien nahm Anfang der 1990er-Jahre im christlichen Fundamentalismus der USA ihren Anfang. Hochfinanz und Freimaurer wollten den »christlichen Glauben vernichten«, schrieb der Prediger Pat Robertson in seinem Bestseller über »Die Neue Weltordnung«. Kein Zufall, dass diese Theorie parallel zum Siegeszug der Globalisierung weltweit Verbreitung fand. Denn: »In ausweglos erscheinenden Drucksituationen eröffnen Verschwörungstheorien einen trügerischen Königsweg zur Deutung kompliziertester Zusammenhänge und vermitteln das sichere Gefühl, endlich Bescheid zu wissen«, analysiert der Historiker Rudolf Jaworski. »Allein dieser Entlarvungsakt schafft Erleichterung und Entlastung, weil er für die Betroffenen den Abbau vorhandener Ängste befördert.«
Genau diese Methode wandten bereits die apokalyptischen Schriften der Bibel an, indem sie einen geheimen Plan Gottes in allem Leid enthüllten. Allerdings mit einem Unterschied: Ihnen ging es um Trost für die Ängstlichen – der Trost der Verschwörungstheoretiker dagegen ist oft mit Aggression gemischt. »Je komplexer und unübersichtlicher unsere Welt wird, desto mehr haben Verschwörungstheoretiker Zulauf, die dieses Gefüge scheinbar entwirren«, erklärt Harald Lamprecht, Beauftragter für Weltanschauungsfragen der sächsischen Landeskirche. Dabei gibt es ja durchaus in der Wirklichkeit Allianzen und Einflüsse zwischen Politik, Konzernen, Medien und Geheimdiensten. Aber diese realen Vorgänge seien begrenzt, so Lamprecht weiter. »Die Verschwörungstheorie unterstellt eine größere Dimension der Konspiration, die aber unrealistisch ist.« Und sie braucht Sündenböcke. Der Millionenmord der Schoah sei auch das Ergebnis des Nazi-Mythos’ einer »freimaurerisch-zionistisch-jüdischen Weltverschwörung«.
Doch wie das mit Mythen so ist: Mit Argumenten ist ihnen nicht beizukommen. Man kann Fakten dagegensetzen. Man müsse aber auch die Ängste hinter den Verschwörungstheorien ernst nehmen, fordert der Tübinger Experte für Verschwörungstheorien Michael Butter. Zwar seien die Verschwörungstheorien selbst nicht wahr, so der Professor. Doch wiesen sie auf wahre Probleme hin. Auf eine Krise der Demokratie etwa.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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