Wie weit geht Lebensschutz?
Abtreibung: Die Diakonie berät Frauen in Schwangerschaftskonflikten – konservative Christen sehen das kritisch. Doch was dient wirklich dem Leben?
»Keine Tötung auf Verlangen«: Mit solchen Plakaten werden tausende Christen am Sonnabend wieder beim »Marsch für das Leben« in Berlin gegen Abtreibungen demonstrieren. Zusätzlichen Zündstoff erhält das Thema diesmal durch eine politische Debatte und Gerichtsprozesse gegen Frauenärztinnen, denen ein Verstoß gegen das Verbot vorgeworfen wird, Schwangerschaftsabbrüche als Angebot der Praxis öffentlich zu benennen.
Und eine zentrale Frage ist: Schützt das deutsche Gesetz, das eine Pflichtberatung vor einer Abtreibung in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen vorsieht, wirklich Leben? Im sächsischen Landtag bezweifelt das die AfD besonders laut. Konservative Chri-sten halten etwa in Frankfurt/Main Mahnwachen vor Beratungsstellen für Schwangerschaftskonflikte. Auch in Sachsen haben Diakonie-Mitarbeiterinnen in den letzten Jahren Flugblätter in ihren Briefkästen gefunden, auf denen selbst ernannte »Lebensschützer« den Schwangerenberatungsstellen vorwarfen, sie stellten »Totenscheine« aus.
»Es gibt ein unterschwelliges Gefühl, dass diese Arbeit in kirchlichen Kreisen nicht so erwünscht ist«, stellt Angelika Blochwitz fest, die als Referentin bis Juli für die 19 evangelischen Schwangerenberatungsstellen in Sachsen zuständig war. »Es gibt ein Missverständnis in christlichen Kreisen: Die geben nur die Scheine für Schwangerschaftsabbrüche aus.« Die Wahrheit ist: In 84 Prozent der 10 753 Fälle in den Schwangerenberatungsstellen der sächsischen Diakonie im letzten Jahr ging es um soziale und psychologische Hilfe für werdende Eltern – und nicht um Abtreibung. Nur in 1732 Fällen war es eine Konfliktberatung.
Doch selbst da suchten die Beraterinnen gemeinsam mit Schwangeren und Lebenspartnern nach Auswegen und Hilfsmöglichkeiten. Denn das ist laut Gesetz ihr Auftrag: »Die Beratung soll ermutigen und Verständnis wecken, nicht bevormunden und belehren«, heißt es im 1992 unter Schmerzen ausgehandelten Schwangerschaftskonfliktgesetz. »Die Schwangerschaftskonfliktberatung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens.« Abtreibung ist eine Straftat – und bleibt dennoch ohne Strafe, wenn sie in den ersten zwölf Wochen geschieht und die Schwangere zuvor in eine Beratungsstelle gegangen ist. Das ist der schwierige Kompromiss für eine schwierige Lebenslage.
Die Mehrheitsmeinung in der evangelischen Kirche Deutschlands ist auch nicht einfacher: Abtreibung soll nach Gottes Willen nicht sein – doch will die Kirche Frauen und Paare in dieser Lebenskrise nicht allein lassen. Auch, weil das ungeborene Leben nur mit der Mutter geschützt werden kann. Und nicht gegen sie.
Doch wird das im Gesetzt verankerte Ziel des Lebensschutzes auch erreicht? 101 209 Schwangerschaftsabbrüche zählte das Statistische Bundesamt im letzten Jahr deutschlandweit. Auch wenn das ein leichter Anstieg gegenüber den Vorjahren war, gehen sie im großen Trend der letzten Jahrzehnte deutlich zurück.
Auch in Sachsen ist das so. Gab es 1993 unter 10 000 Frauen 105 Abtreibungen, waren es 2016 noch 72. Im Bundesdurchschnitt liegt diese Quote allerdings bei 57 Schwangerschaftsabbrüchen. Möglich, dass sich darin noch das Erbe der liberalen Abtreibungspraxis in der DDR oder die geringe Zahl an Christen hierzulande spiegelt.
Ob sich die Frauen nach einer Beratung für oder gegen eine Abtreibung entscheiden, ist allein ihre Sache. Die Beratungsstellen erfahren es nicht. Es gibt nur diese Zahlen: 8006 Beratungen in Schwangerschaftskonflikten wurden 2016 in Sachsen gezählt – und 5368 Abbrüche. Man könnte es auch so sagen: Vielleicht hätten ohne Beratung und Hilfsangebote 2638 Kinder nicht das Licht dieser Welt erblickt.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
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