Öffnet die Herzenstür
Advent: Ein alter Adventskalender begleitet unseren Autor seit Kindheitstagen. Längst sind die Bildchen hinter den Türen bekannt – und offenbaren doch jedes Jahr wieder das Geheimnis des Geborgenseins. Der Advent stiftet Bilder der Erlösung in unsere Herzen und leuchtet den Weg zur Krippe – denen, die ihr Herz für den Heilsbringer Christus öffnen.
Er begleitet mich, seit ich denken kann, und hergeben würde ich ihn um nichts in der Welt: meinen Adventskalender. In Kindheitstagen hat er immer im Wohnzimmerfenster gehangen. All die vielen Jahre seither aber bekam er an verschiedenen Stellen seinen Ehrenplatz, und natürlich hatte ich ihn auch während meiner Zeit in den USA dabei. Denn eins ist klar: Advent ohne meinen Adventskalender gibt es nicht.
Es ist aber auch kein gewöhnlicher, sondern im Gegenteil ein ganz besonderer Adventskalender. Das fängt schon bei seinem Anfang an: nicht wie sonst der 1., sondern der 6. Dezember, also Nikolaustag. Dieser Anfang liegt nahe. Schließlich ist Nikolaus die Hauptperson, auch wenn der Adventskalender »Die Weihnachtsstadt« heißt. Gerade rechtzeitig hat es geschneit. Nikolaus macht sich auf den Weg. Der Esel vor seinem Schlitten schaut stoisch drein.
Meinen Adventskalender kann ich übrigens auswendig: Besuch bei Frau Holle am 7. Dezember; am 8. auf ein Glas Wein beim Kasperle; Anna Nas öffnet am 9. Dezember ihren Feinkostladen; mit dem 10. Dezember bekommt Hans Artig etwas in seine Schuhe; und so weiter und so fort. Ich liebe die kleinen Details: den Hasen und das Reh im Schnee; Namen wie Line Pral; das Spielwarengeschäft von Bär & Teddy; den Lampenschein am Haus des 22. Dezember. Und dabei sind die Türchen alle noch geschlossen. Was es dahinter zu sehen gibt, auch das hat sich mir im Lauf der Zeit eingeprägt.
Genug der fast schon kindlichen Nostalgie und dafür zwei mir wichtige Gedanken. Zum einen: Natürlich hat mein Adventskalender neben guten auch weniger gute Zeiten gesehen – in der Familie und darüber hinaus. Dieses Jahr ist es erneut die Corona-Pandemie, die unsere vorweihnachtliche Freude trübt. Aber vielleicht machen wir ja auch sonst gerade schwere Tage durch.
Da schadet es nichts, ein bisschen heile Welt zu haben, wie sie »Die Weihnachtsstadt« zeigt. Und gleichzeitig erinnern wir uns daran, dass das erste Weihnachten eins gerade nicht gewesen ist, nämlich ein Idyll. Im Gegenteil: Das Fest, auf das wir uns im Advent vorbereiten, hat seinen Ursprung in ärmlichen Verhältnissen, spielte sich ab am Rand der Obdachlosigkeit, führte heraus aus der bequemen Mitte der Gesellschaft. Und insofern ist es auch und gerade ein Fest für die, denen es nach Feiern eigentlich nicht zumute ist: Es tut hoffentlich gut.
Ein zweiter Gedanke: Wie der Advent an sich, so hat auch mein Adventskalender ein Ziel, nämlich Weihnachten. Anders ausgedrückt: Alle Wege, in diesem Fall von Nikolaus, führen zum Kind in der Krippe. Nur dass die nicht im Stall von Bethlehem, sondern in der Kirche der »Weihnachtsstadt« steht. An ihr tun sich zum Schluss die zwei größten Türchen auf: für das Weihnachtswunder, das zu feiern Nikolaus stellvertretend für uns alle vorbereiten hilft.
Wie gesagt: Mein Adventskalender begleitet mich, seit ich denken kann – hergeben würde ich ihn um nichts in der Welt. Auch dieses Jahr führt er mich Haus für Haus und Türchen für Türchen auf Weihnachten zu. Bei jedem Türchen, das ich öffne, denke ich daran, dass ich bei mir selbst Türen und Tore öffnen muss, damit Weihnachten werden kann: »Macht hoch die Tür, die Tor macht weit; es kommt der Herr der Herrlichkeit!« (EG 1,1) Einen gesegneten ersten Advent und dass es auch in Ihrer »Weihnachtsstadt« Weihnachten wird – trotz allem!
Andreas Koch ist freier Autor und Kolumnist beim Evangelischen Gemeindeblatt Württemberg.
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