Wie bleibt die Kirche im Dorf?
Kirche auf dem Land: Eine Untersuchung zur Kirche in Dörfern des Vogtlands hat es wieder gezeigt: Jedes Dorf tickt anders und hat eigene Themen. Das ist eine Herausforderung für die Kirche – besonders angesichts der Strukturreform.
Eines haben alle Dörfer gemeinsam: Sie sind verschieden. Oder anders ausgedrückt: Jedes Dorf hat sein Thema. So ließe sich zumindest ein Teil der beiden Studien zusammenfassen, die von Juliane Stückrad im Leipziger Land und im Vogtland durchgeführt wurden. Das ist dem Dörfler nichts Neues, wusste er doch schon immer, dass die im Nachbardorf – mit denen er schon immer durch eine Fußballplatzfehde verbunden war – anders sind.
Der Städter hingegen kann über solche Kleinlichkeiten nur den Kopf schütteln und hat Wichtigeres zu tun, muss er doch gerade die feindliche Übernahme seiner Kirche durch die Gemeinde des benachbarten Stadtteils abwehren. Zudem ist ihm ja alles, was er übers Land wissen muss, bekannt: Land ist da, wo es Bauernhöfe, grüne Wiesen und ein Demokratiedefizit gibt.
Glücklicherweise hat sich das Bild vom Land – zumindest in der wissenschaftlichen Analyse – in den vergangenen zwei Jahrzehnten massiv verändert. Eine der wohl wichtigsten Erkenntnisse ist, dass es den ländlichen Raum nicht gibt. Er musste den ländlichen Räumen weichen. Die Bedeutung dieses Plurals, es wurde schon angedeutet, ist den Dörflern schon lange klar.
Doch worin bestehen nun die Unterschiede? Natürlich in der geografischen und naturräumlichen Lage: Ein Dorf am Stadtrand von Dresden hat einfach andere Voraussetzungen als eines im Zittauer Gebirge und ein anderes in der Dahlener Heide. Aber ebenso prägend sind die Geschichten eines Dorfes, die seine soziale und historische Gestalt ausmachen. So sind die eines Ortes mit einem Rittergut, welches nach 1945 abgerissen wurde, andere als die eines Ortes, der durch den Bau einer Talsperre die Hälfte seiner Einwohner verlor. Aber auch die vermeintlich kleinen Begebenheiten wirken oft bis in die Gegenwart.
Die Verschiedenheit der Dörfer ist eine andere als die der unterschiedlichen Stadtteile einer Großstadt. Letztere werden bestimmt durch eine Ausdifferenzierung der Milieus, Erstere hingegen durch unterschiedliche Erzählungen ihrer Geschichte(n). Welche Rolle spielt die Kirche bei all dem?
Manchmal ist sie der Kern dieser Erzählungen, wenn beispielsweise ein Pfarrer unter vermeintlich ungeklärten Umständen ums Leben kam. Oft ist sie ein maßgeblicher Teil: Das Gemeinschaftsgefühl, das in einem Dorf entstand, als alle gemeinsam an der Kirche bauten, sogar die, die gar nicht zur Kirche gehörten. Und wie auf wundersame Weise das in der DDR so knappe Baumaterial dann doch vorhanden war.
Es ist das gemeinschafts- und sinnstiftende Potenzial, das der Kirche zugesprochen wird, vor allem dort, wo die dörfliche Gemeinschaft besonders herausgefordert ist, resümiert Juliane Stückrad in ihrer Studie. Und dies wird angesichts größer werdender Seelsorgebereiche nicht einfacher, denn – auch das haben Stückrads Gespräche gezeigt – es geht vor allem ums Zuhören.
Es berührt und gibt zu denken, wenn der Satz fällt: »Danke, dass Sie sich für unser Dorf interessieren.« Dass jemand kommt und sich für die Themen des Dorfes interessiert, darin gleicht sich die Rolle der Ethnografin und der einer Pfarrerin. Auch der Pfarrer stammt in der Regel nicht aus dem Dorf und bleibt meist auch in einer seltsamen Stellung zwischen Dazugehörigkeit und einer gewissen Distanz.
Angesichts der Deutungshoheit des Urbanen ist dieses Zuhören und die Wertschätzung des vor Ort Geleisteten besonders wichtig. Für alle Haupt- und Ehrenamtlichen könnte es sich lohnen, mal mit Abstand zu schauen, was das Thema ihres Dorfes ist. Eine kleine Anleitung dazu bieten die beiden Studien.
Dr. Dirk Martin Mütze ist Direktor des früheren Evangelischen Zentrums Ländlicher Raum, jetzt Evangelisches Bildungs- und Gästehaus Heimvolkshochschule Kohren-Sahlis.
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