Grüße vom Ehrenamt
Freiwillige und Kirche: Das Gesicht der Kirche ändert sich. Zunehmend sind Ehrenamtliche auf der Kanzel, weil sonst in vielen Orten der Gottesdienst ausfällt. Wie viel Druck verträgt dieses System?
Die gute Nachricht gleich zu Beginn: Das Ehrenamt übersteht auch schwere Zeiten wie große Flüchtlingsbewegungen, Corona oder den Krieg Russlands gegen die Ukraine. Allerdings verändert sich mit den Herausforderungen auch die freiwillige Tätigkeit: In manchen Bereichen wächst zeitweise das Engagement, wie etwa in der Flüchtlingshilfe, in anderen geht es zurück. Mitunter scheint zu gelten: Je größer die Notsituation, umso stärker das freiwillige Engagement. Doch auch im kirchlichen Bereich kommt es an seine Grenzen.
Für das ehrenamtliche Engagement in der Landeskirche Sachsens hat Joachim Wilzki schon vor Corona ein Plateau erreicht gesehen. Trotz kontinuierlich sinkender Gemeindegliederzahlen war die Anzahl der freiwillig Aktiven leicht gestiegen oder zumindest stabil geblieben, blickt der Leiter der Ehrenamtsakademie der Landeskirche in Meißen zurück. Doch bei rund 60 000 ehrenamtlichen Mitarbeitern, welche die Statistik des Landeskirchenamtes für das Jahresende 2020 ausweist, scheint das Ende der Fahnenstange erreicht. Das sind derzeit knapp zehn Prozent aller Mitglieder der Landeskirche. Wie lange sich das Engagement auf diesem Niveau hält, ist unklar.
Denn die Landeskirche verändert allmählich ihr Gesicht: Weg von einer pfarrerzentrierten Kirche, die durch Hauptamtliche »bespielt« wird, hin zu einer zunehmend ehrenamtlich getragenen Kirche. Das hat am Wochenende auch Landesbischof Tobias Bilz beim ersten sächsischen Lektorentag in Meißen betont. »Der Dienst der Lektoren erfährt eine wachsende Bedeutung«, so der Bischof.
Ausgebildete Lektoren dürfen genau wie die rund 280 Prädikanten ehrenamtlich Gottesdienste leiten. Die Zahl von derzeit rund 550 Lektoren entspricht dabei der Zahl der aktiven Pfarrer in der Landeskirche. »Das ist ein enormes Gewicht«, meint Tobias Bilz wertschätzend. Und während die Zahl der Geistlichen kontinuierlich sinkt – nicht mehr nur wegen der Stellenplanung, sondern auch mangels Nachwuchs –, steigt die Zahl der Lektoren und Prädikanten. Gottesdienste werden zunehmend ehrenamtlich geleitet.
Ganze vier Vikare haben kürzlich ihre Ausbildung in der Landeskirche begonnen, obwohl zwölf Plätze zur Verfügung standen. Im Bereich der Gemeindepädagogik und Kirchenmusik ist es kaum anders. Das hat Folgen für das Ehrenamt, die am Beispiel der Kirchgemeinde Glauchau-Gesau gerade sehr herausfordernd, wahrscheinlich eher überfordernd sind. Denn wenn alle haupt- und nebenamtlichen Verkündigungsmitarbeiter fehlen und der Vakanzvertreter selbst noch Berufsanfänger ist, dann ist das Ehrenamt unter Druck. Kirchvorsteherin Christiane Scheurer hat schon vor einigen Jahren die Ausbildung zur Lektorin absolviert. Ihr Mann Christoph Scheurer, Vorsitzender des kirchgemeindlichen Fördervereins und seit Sommer als ehemaliger Landrat des Landkreises Zwickau in Ruhestand, zieht nun nach. Sie wollen das Kirchgemeindeleben vor Ort aufrecht erhalten. Studien belegen, dass das ehrenamtliche Engagement im ländlichen Raum größer ist als im städtischen. Vermutlich, weil die Beziehungen dort stabiler sind. Man kennt sich. Alles aber lässt sich ehrenamtlich nicht auffangen.
Deshalb sieht Joachim Wilzki die Strukturentwicklung mit der »wachsenden Bedeutung des Ehrenamtes«, wie es oft heißt, zweischneidig. Zwar motiviere eine Vakanzsituation in gewisser Weise auch zur freiwilligen Mitarbeit. Es dürfe aber nicht dazu führen, dass Ehrenamtliche die Lückenfüller des Hauptamts werden, warnt der Leiter der Ehrenamtsakademie. Vielmehr sollten Freiwillige die Freiräume anders nutzen, nach ihren Möglichkeiten und Bedürfnissen.
Das Bedürfnis nach Gemeinschaft ist eine der stärksten Motivationen für das Ehrenamt. Die Gottesdienst-Gemeinschaft vor Ort zu erhalten, das äußerten auch beim Lektorentag viele Teilnehmer als Ziel. »Die vor Ort Engagierten bauen die Beziehungen«, betonte der Landesbischof den Wert dieses Ehrenamtes. Mit den ehrenamtlichen Verkündigern identifiziere man sich vor Ort. Ihre Zahl wächst – und der Druck im System auch.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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