Auswege aus der Schuld
Buß- und Bettag: Wie soll mit dem Bösen umgegangen werden? Gott lädt in der Bibel dazu ein, die Spiralen der Schuld zu unterbrechen und seine größere Liebe zu teilen.
Wenn in diesem Jahr der Buß- und Bettag gefeiert und all das bedacht wird, was schuldhaft das eigene Herz belastet und Menschen und Völker trennt, geschieht dies in einer Zeit großer Schuld. Das Urdrama des menschlichen Schuldigwerdens, der Brudermord, vollzieht sich wieder einmal in monströsem Ausmaß zwischen zwei einstigen Brudervölkern. Und alle sind betroffen, verwickelt, ins Dilemma geführt: Welche Schuld ist größer? Waffen liefern oder nicht? Sanktionen vollstrecken oder nicht? Nukleare Abschreckung ja oder nein? Und Schuld wird zugewiesen. Pazifisten würden eine Unterlassungsschuld auf sich laden, heißt es von der einen Seite. Befürworter militärischer »Lösungen« würden eine Vervielfachung der Opfer in Kauf nehmen, so die andere Seite. Urgewaltig steht die Schuldfrage im Raum – und macht die Suche nach Auswegen nötiger denn je. Wie ist die Schuld und das Böse zu meistern, wie ist eine Lösung von Schuldzusammenhängen – eine Erlösung – möglich?
Einen Weg zeigt der südafrikanische Pfarrer Michael Lapsley, der sich einst jahrelang gegen die Apartheid eingesetzt hat und 1990 Opfer eines Terror- anschlags wurde, bei dem er beide Hände und ein Auge verlor. Kraft seiner inneren Verbindung mit Christus gelang es ihm, einen Weg der Versöhnung für sich und andere Opfer zu finden. »Nach dem Anschlag auf mich 1990 wurde mir bewusst, dass ich für immer ein Opfer bleiben würde, wenn ich erfüllt bliebe von Hass, Verbitterung und Selbstmitleid«, berichtete er bei einem Vortrag. Durch die Gebete und die Liebe gläubiger Menschen habe Gott ihn aber auf einen Weg der Heilung geführt. Dadurch wurde er selbst zu einem Werkzeug der Liebe Gottes in der Welt, indem er sich für traumatisierte Opfer einsetzt. »Um unserer Heilung willen müssen wir fähig werden, das Gift in uns zu bemerken und es loszulassen. Wir sind gerufen, unser eigenes Verwundetsein und Begrenztsein zu erkennen und mit Christus sein Werk zu teilen, als verwundete Heiler«, betonte er. Es sei das Werk Gottes, Erlösung aus der belasteten Vergangenheit und Gutes aus Bösem zu wirken. Immer wieder komme es dabei auf Vergebung an. Diese sei in der Praxis schmerzhaft, schwierig und kostspielig und bedarf zunächst der umfänglichen Anerkennung all des Leidens und all der Schuld. Dennoch sei Vergebung der Schlüssel für eine andere, eine freundlichere Zukunft. Sie ist eine Gnade Gottes – bedarf aber auch der Entscheidung des Opfers.
In ähnlicher Weise hat diesen Weg der Überwindung des Bösen in diesen Tagen Papst Franziskus in einer Predigt vor Christen in Bahrain beschrieben. Es gelte, »immer zu lieben und alle zu lieben«, sagte er. Geschwisterlichkeit sei kein naiver Traum, sie verlange aber, Böses mit Gutem zu vergelten. Es gelte, im Guten zu verharren, auch wenn einem Böses widerfahre und die Spirale der Rache zu durchbrechen, die Gewalt zu entwaffnen, das Herz zu entmilitarisieren. »Es ist notwendig, in der Liebe zu bleiben, immer: Das ist der Weg Jesu, um dem Gott des Himmels die Ehre zu geben und Frieden auf Erden zu schaffen. Immer lieben.« Das gelte auch gegenüber dem Feind. Feindesliebe heiße, »den Blick und das Herz des Vaters in die Welt herabkommen zu lassen«. Diese Form der Liebe sei aber eine Gnade, die von Gott erbeten werden sollte. Franziskus tat das so: »Jesus, du, der du mich liebst, lehre mich zu lieben wie du. Jesus, der du mir vergibst, lehre mich zu vergeben wie du. Sende deinen Geist, den Geist der Liebe, auf mich.«
Der Ausweg des Christentums liegt in der Unterbrechung von Schuldzusammenhängen, damit sich Frieden und Versöhnung und Geschwisterlichkeit ausbreiten und ein Stück Himmel auf der Erde werde; damit fortan nicht der Brudermord das letzte Wort hat, sondern gelebt und gesagt wird: »Abel, steh auf / es muss neu gespielt werden / täglich muss es neu gespielt werden / täglich muss die Antwort noch vor uns sein (…) / wenn du nur aufstehst / und es rückgängig machst / die erste falsche Antwort / auf die einzige Frage / auf die es ankommt / steh auf / damit Kain sagt / damit er sagen kann / Ich bin dein Hüter / Bruder / wie sollte ich nicht dein Hüter sein (…) // Abel steh auf / damit es anders anfängt / zwischen uns allen« (Hilde Domin).
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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