Gott stellt die Verbindung her
Weihnachten: Gott wird Mensch. In einem Kind. Er lässt die Welt nicht allein, sondern »repariert« sie von innen. Sind wir offen für seine »Reparatur«?
Der Röhrenfernseher – eigentlich taucht er heute nur noch selten auf. Ich meine jenes Gerät, das so tief wie hoch war und so viel Platz brauchte, dass es immer um einen gefühlten Meter über die Schrankwand hinausragte. Was die Wenigsten wissen, ist, dass der Röhrenfernseher unser Verhalten gegenüber Technik bis heute geprägt hat. Denn was tat man, wenn das Bild nicht in Ordnung war oder flackerte? Man schlug auf das Gehäuse und schon war das Bild wieder stabil. Wie das Ganze funktionierte? Manchmal gab es kalte Lötstellen im Gerät. Wo vormals eine Verbindung hergestellt wurde, gab es nun einen Verbindungsabriss. Durch die Erschütterung eines Schlages, wurde der Kontakt kurzzeitig wiederhergestellt. Das »Draufhauen« ist heute auf der Rangliste der Erstreparaturmaßnahmen nach wie vor ganz weit oben angesiedelt. Immer in der Hoffnung, dass die künstlich herbeigeführte Erschütterung den Verbindungsabriss behebt.
»Der Riss« – so ist ein Videoclip betitelt, mit dem eine Supermarktkette dieses Jahr ihre Weihnachtskampagne startete. Dabei wurde ein Grundgefühl aufgegriffen, das viele Menschen infolge der zurückliegenden und aktuellen Krisen bewegt – Zerrissenheit in den zwischenmenschlichen Beziehungen. Die Kampagne selbst mündet in den Aufruf: »Lass reden«. Nach wenigen Wochen zählte dieser emotionale Kurzfilm über 18 Millionen Aufrufe.
Kalte Lötstellen, Kontaktunterbrechungen in zwischenmenschlichen Beziehungsgefügen prägen uns offensichtlich derzeit intensiver als sonst. Verbindungsabbrüche haben erst jüngst auch die Ergebnisse des Religionsmonitors der Bertelsmannstiftung verdeutlicht. Auch auf diesem Monitor flackert es. Nicht nur, dass der Glaube an Gott und das Beten deutlich abgenommen haben, auch die Verbindung der Kirchenmitglieder zur eigenen Kirche geht zunehmend in die Brüche.
Wann immer sich Krisen und Erschütterungen häufen, taucht eine theologische Deutung auf, die viel mit dem Röhrenfernseher zu tun hat: Erschütterungen werden als Gericht Gottes verstanden. Als wolle er mit ihnen die Verbindungen wiederherstellen – wie beim Schlag auf den Röhrenfernseher. In der Menschheitsgeschichte schienen die Erschütterungen auch zu helfen, Menschen rückten wieder näher zusammen und suchten Gott. Zuweilen rissen die Verbindungen aber auch gänzlich. In der Not schauten die Menschen dann nur noch auf sich und Gott wurde verflucht mit der Frage: »Wie kannst du das nur zulassen?« Denn auch das kann der Schlag bewirken, dass noch intakte Lötstellen zerstört werden.
Was nun für den Röhrenfernseher gilt, gilt auch für die Menschheitsgeschichte: Erschütterungen lösen nie das Problem, sie vertagen es nur. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Verbindung wieder abreißt. Es braucht keine Erschütterungen, es braucht jemanden, der das Gehäuse öffnet, eintaucht und die Verbindung am Zentrum wieder herstellt. Denn Draufhauen kann man zwar von außen, aber reparieren nur von innen. Weihnachten ist Gottes Version, der Welt zu sagen: »Lass reden!«, denn es gibt einiges zu reparieren. Und sein Intro lautet: »Fürchtet Euch nicht!«
Mich bewegt es, dass Gottes Eingreifen, sein »Lass reden«, mit der Geburt eines Kindes beginnt. Denn mit einem Neugeborenen kann ich ja gerade noch nicht über Sprache kommunizieren. Es ist einfach da. Und trotz der Laute, die es von sich gibt, schweigt es. Man kann beobachten, wie sich Menschen vor einem Baby zutiefst öffnen und verändern, gerade weil es noch nicht redet und für eine Haltung steht, bei der wir nichts zu befürchten haben.
Eine echte Weihnachtserfahrung wäre es vielleicht, in dieser Weise ehrlich mit Gott ins Gespräch zu kommen, sich Zeit zu nehmen zum Schweigen oder für die Suche nach Worten. Denn Gott ist nicht in dieser Welt, um sie zu schlagen, sondern um sie zu heilen (Joh 12,47). Lass reden …
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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