Richtet nicht!
Recht: Weit verbreitet ist es, einander schuldig zu sprechen und zu verurteilen. Doch wie gelingen echte Auswege aus Schuld? Wie kann richtiges Leben gelingen? Ein Theologe macht ernst mit der Botschaft Jesu und fordert: Gnade statt Strafrecht. Provokante Gedanken zum Sonntag Judika.
Es erscheint dringlicher denn je, dass Auswege aus den Spiralen der Beschuldigungen und Verurteilungen gefunden werden – im persönlichen, im politischen und wohl auch juristischen Bereich. Nach Ansicht des bekannten Theologen Eugen Drewermann (82) ist es die Aufgabe des Christentums, diese Auswege aufzuzeigen. Zumindest wenn es mit der Botschaft Jesu ernstmacht.
Einen Kompass für diesen Weg aus den Sackgassen der Verurteilungen und Vergeltungen hat Drewermann in seinem Werk »Richtet nicht! Strafrecht und Christentum« vorgelegt, von dem nun der dritte und letzte Band im Patmos-Verlag erschienen ist. Darin geht der Theologe aus von dem Jesuswort: »Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet!« (Mt. 7,1). Dies ist für ihn keine Utopie, sondern Anweisung für eine Heilung zerbrochener Menschen und Beziehungen im Hier und Jetzt. Diese Heilung gelinge nur, wenn das Problem an der Wurzel gepackt wird: bei der Angst und inneren Verlorenheit von Menschen. Er betont: Erlösung wird durch Gnade erwirkt. Das ganze Dasein sei ein unverdientes Geschenk und die Menschen sind vor diesem Hintergrund aufgerufen, einander das zu geben, was not tue.
Von der Not des Mitmenschen her, nicht von seiner Schuld, sei also zu denken. Und aus dieser Perspektive gebe es kein Straf«recht«, »wohl aber eine unbedingte Notwendigkeit zu Verständnis und Vergebung«, so Drewermann. Das »Böse« könne nur und ausschließlich durch Güte überwunden werden, wie die Vergebungsbitte des Vaterunsers zeige. »Solange wir das Böse noch bekämpfen wollen, verlieren wir uns selber an die Mechanismen der Angst und Gewalt, denen es selbst entstammt. Wir werden selbst als erste dabei ›böse‹», schreibt er.
Verbrechen versteht er als »Hilferufe der Verzweiflung«. Sie geschehen aus einem verwirrten Herzen, aus dem Geprägtsein durch tiefes Verlorensein, Schmerz, Not. Jesus sei den Schuldigen und Verzweifelten seiner Zeit mit einer umfassenden Güte begegnet – einer Güte, »die nicht richtet, sondern aufrichtet«. Er wollte das Prinzip der Vergeltung im Namen Gottes überwinden und die daraus folgende Angst und Verwirrung aus den Herzen verbannen. Das ist die frohe Botschaft: Gott ist bedingungslose, umfassende, unendliche, vergebende Güte und Liebe. So ist das Göttliche die Rettung – unendliche Geborgenheit und nicht verunendlichte Strafinstanz. »Gott will nicht das Abstrafen, sondern das Überlieben der Schuld«, so Drewermann. Die Heilung geschehe durch Verstehen, Reifen und Vergeben.
Nicht also ist das Zu-Gericht-Sitzen der christliche Weg, sondern das Verstehen, das Sehen der Person hinter der Tat, die Suche nach Wegen des Reifens. »Wenn der Hirte, Gott, dem Verlorenen nachgeht, dann müssen auch wir so tun.« Und so sei die Überwindung des Bösen eine gemeinschaftliche Aufgabe, mahnt Drewermann: »Ein Schuldiggewordener hat entsprechend dem Schaden, den er anderen zugefügt hat, etwas wieder gutzumachen; wir aber, die vermeintlich mit dem Recht, ja, mit der göttlichen Pflicht zum Strafen Begabten, haben alles wieder gutzumachen an jemanden, der in unserer Gemeinschaft und in unserer Gesellschaft zu einem Verbrecher hat werden können.«
Vor diesem Hintergrund sollten alternative Maßnahmen zur Strafjustiz gesucht werden, so Drewermann. Auch weil es begründete Zweifel an der Wirksamkeit von Gefängnishaft für die Resozialisierung des Täters und eine Befriedung der Zustände gebe. Und so fragt Drewermann vorausblickend: »Wie ist ein Mensch dahin zu führen, dass er seine Handlung überhaupt als Schuld begreift? Wie kann ein Täter-Opfer-Ausgleich sich gestalten? Wie lässt sich Wegsperren und Ausgrenzen durch Reintegration und Nachreifung ersetzen? Wie lässt das Strafprinzip sich umformen zu einer Pflicht zu heilen?«
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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