Im Sog Gottes
Himmelfahrt ist kein magisches Wunder, das Jesus einst erlebte, sondern das Hoffnungsbild der Menschheit: Wir sind nicht nur der Erde verhaftet, sondern auf den Geist ausgerichtet. Gott verspricht, uns alle zu sich zu ziehen.Dass die Bollerwagen mit Tuten und Blasen am Himmelfahrtstag eine Kundgebung des lebendigen Christentums seien, ist zu bezweifeln. Himmelfahrt wirkt zwischen Ostern und Pfingsten wie eingeklemmt. Vierzig Tage lang, so erzählt die Apostelgeschichte, hatte sich Jesus, der Auferstandene, lebendig gezeigt und das Reich Gottes verkündigt – bis er »gen Himmel fuhr.« Was geschieht hier? Was soll uns das bedeuten? In kindlich-rührenden wie in künstlerisch-ergreifenden Versuchen ist dieses Geschehen vor Augen gestellt und zu Herzen gegangen. Viele Bräuche begleiten das Fest seit dem Mittelalter. So zog man eine geschnitzte Christusfigur durch das Gewölbe hoch auf den Kirchenboden, senkte dagegen eine brennende Satanspuppe herab als Gegenbewegung und zur Warnung: Fahrt in Gottes Namen nicht zum Teufel.
In den kirchlichen Festtagsverlauf wird die Himmelfahrt erst spät eingefügt. Rembrandt malt in seinem Bild »Himmelfahrt Christi« die Zuschauer, die »Männer von Galiläa« – staunend, zweifelnd, betend, im Gespräch, Charakterköpfe mit ihren eigenen, verschiedenen Wahrnehmungen. Auch manchen Theologen – berufene Deuter der Bibel – ist die Himmelfahrt nicht recht geheuer. Friedrich Schleiermacher, sogenannter Kirchenvater des 19. Jahrhunderts, meinte gar, die Himmelfahrt passe nicht in das Glaubensbekenntnis.
Aber nun: Der Phantasie wie auch manchem Volks- und Aberglauben, manchem Witzeln und Spotten und mancher theologischen Vorsicht setzt Jesus, so das Johannes-Evangelium, eine grandiose Erklärung entgegen, die Antwort auf die Frage nach dem »Warum« ist: »Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich sie alle zu mir ziehen« (Joh 12,32). Das ist die Himmelfahrtsbotschaft! »Euch will ich alle zu mir ziehen«, verspricht Gott. Stimmt das – wirklich alle? Hier nun scheiden sich die Geister. Wer sind diese »alle«? Die Christusanhänger oder auch die Außenseiter aller Couleur, die Gescheiten und die Dummen, die Guten und die Bösen? Die Menschheit ist Gottes Sohn, meinte der Denker Hegel und betonte, der Protestantismus, das sei die Religion der Freiheit. Es gehört Freiheit dazu, dieses »alle« in unbegrenzter Weite und Höhe und Tiefe, eben menschheitlich zu glauben. Es ist die himmlische Himmelfahrtsfassung des »Seid umschlungen, Millionen « in Schillers »Ode an die Freude«.
Woher die Scheu, dieses »alle« auf die ganze Menschheit zu beziehen? Es gibt keinen Alleinvertretungsanspruch auf die Himmelfahrt, auf das »Sitzen zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.«
Zugegeben: Die Kirche, wenn sie sich an »alle« richtet, möchte nicht in den Verdacht geraten, sie wolle missionieren. Aber das Christentum ist zweifellos nicht alleingültig, aber es versteht sich als allgemeingültig. Eine Beschränkung der Himmelfahrtsbotschaft auf die »Eingeweihten« des Glaubens und Bekennens führt zur Sekte. Die grandiose Botschaft gilt »allen«. Es ist ein Versprechen an die Menschheit, nicht nur an die Kirche. Gott schuf den Menschen, also die Menschheit, nach seinem Bilde und er zieht sie zu sich. Christi Himmelfahrt bereitet den Weg hin zu Pfingsten, die Ausgießung des wahren, menschengemäßen Geistes.
Die Kirche muss den Mut haben, den Geist – denn »Gott ist Geist« (Joh. 4,24) – allen Geistvollen und allen Geistlosen zu verkünden, auch den Anstiftern, Machern und Gewinnern des Krieges. Denn alle, die mühselig und beladen sind, will er erquicken. Der Himmelfahrt fehlt alles Verkniffene, Peinliche, sie atmet frische Luft, zieht nach draußen, nach oben. Wir alle miteinander sind doch »Letzte Generation «, in Frage und zur Verantwortung gestellt, wie wir’s miteinander und füreinander halten, für diese unsere erhoffte zukünftige Welt.
Sich auf den Weg machen, sich ziehen lassen, aus sich herausgehen, sich Gutes tun und tun lassen – vielleicht hat letzten Endes doch der Bollerwagen, das Bier, das krönende Hütchen und das Schwanken nach vorn und hinten, nach rechts und nach links, nach vielen Rastplätzen, sein hintersinnig Zeichenhaftes.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
Zum Vergrößern hier klicken.
Weitere Impressionen finden Sie hier.