Fortschritt oder Falle?
Digitale Revolution: Mit großem Tempo schreitet die Digitalisierung voran. Viele Bereiche des Lebens werden bereits von »Künstlicher Intelligenz« gesteuert. Auch in der Kirche hält sie Einzug. Wohin führt das? Überwiegen die Chancen oder die Risiken?Ist es eine Provokation oder ein mutiger Vorstoß? Auf dem bevorstehenden evangelischen Kirchentag in Nürnberg soll ein rein von »Künstlicher Intelligenz« (KI) erzeugter und gestalteter Gottesdienst gefeiert werden. Am Altar steht dann statt eines Pfarrers oder einer Pfarrerin ein großer Bildschirm, die Stimme aus den Lautsprechern stammt von einem digitalen Sprachassistenten, die Texte sind erzeugt von »ChatGPT«, einem Computersprachprogramm, das auf KI basiert. Und auch die Kirchenmusik dieses Gottesdienstes wird von einer KI komponiert. Der Wiener Theologe Jonas Simmerlein, der den Gottesdienst erstellt, betont, dass diese Veranstaltung nicht als lustiges Experiment gedacht sei. »Das wird ein echter Gottesdienst«, so Simmerlein. Er sieht die Künstliche Intelligenz zukünftig in einer assistierenden Rolle. So könnte etwa das Dialogsystem »Chat GPT« als Predigtassistent fungieren. »Es kann schon sein, dass wir uns zukünftig immer mehr in einer Welt bewegen, in der Künstliche Intelligenz und Roboter Teil unserer Welt werden«, meint er.
Indessen hat der Deutsche Ethikrat Ende März Regeln und Grenzen für den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) in Kernbereichen des Zusammenlebens gefordert. Computer-Softwaresysteme verfügten nicht über Vernunft, würden nicht selbst handeln und könnten daher keine Verantwortung übernehmen, heißt es in der Stellungnahme des Ethikrats. Künstliche Intelligenz dürfe den Menschen daher nicht ersetzen, erklärte die Vorsitzende des Gremiums, die Medizinethikerin Alena Buyx und ergänzt: »Künstliche Intelligenz muss menschliche Entfaltung erweitern und darf sie nicht vermindern.« In der Alltagswelt übernähmen computergesteuerte Algorithmen längst wichtige Funktionen, erläuterte Buyx. So werde Künstliche Intelligenz eingesetzt, um Krebs zu erkennen, um mit Schülern und Schülerinnen Englischvokabeln zu lernen, um zu bestimmen, wer Sozialleistungen erhält und um Verhalten in sozialen Netzwerken zu beeinflussen.
Weil die Technologie alle erreiche und immer besser werde, müsse sich die Gesellschaft genau anschauen, wofür sie KI einsetzen will – und wofür auch eben nicht, so Buyx. In der Bildung dürfe Technologie kein Selbstzweck sein, sondern müsse das Ziel der Selbstbestimmung und reflektierten Persönlichkeitsbildung unterstützen, heißt es. Und im Bereich der öffentlichen Kommunikation problematisiert der Ethikrat die Wirkung von Algorithmen auf die Meinungsbildung und die Zunahme von Hass und Hetze im Netz.
Hinzu kommt: Die Infrastruktur digitaler Kommunikation sei derzeit in der Hand von wenigen, zudem in den USA und China ansässigen Unternehmen, sagte der stellvertretende Ethikrat-Vorsitzende Julian Nida-Rümelin. Der Ethikrat regt deshalb die Schaffung einer digitalen Infrastruktur auf europäischer Ebene in öffentlich-rechtlicher Hand an, etwa in Form einer Stiftung. Dieses Netzwerk könne ohne kommerzielles Interesse zur Stärkung demokratischer Grundwerte betrieben werden, sagte Nida-Rümelin. Buyx ergänzte, dies könne auch Abhängigkeiten von ausländischen und kommerziellen Anbietern verringern.
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hatte sich bereits im Jahr 2021 in ihrer Denkschrift »Freiheit digital« mit den Chancen und Risiken der neuen Technik befasst. Darin werden »Die Zehn Gebote in Zeiten des digitalen Wandels« bedacht. Grundsätzlich wird die Digitalisierung positiv gesehen. Sie solle verantwortlich und gut für mehr Freiheit genutzt werden. Es heißt: »Wir glauben, dass menschliche Kreativität, die technische Innovationen hervorbringt, eine Schöpfungsgabe Gottes ist. In ihr liegt die Kraft, Neues zu wagen und zu entdecken und dieses mit anderen in Freiheit zu gestalten.«
Zugleich wird aber vor Einschränkungen der Freiheit gewarnt. Eine Entscheidung steht an: »Nutzen wir die Möglichkeiten digitaler Technik für mehr Freiheit und Vernetzung! Aber machen wir die digitale Technik, die großen Internetunternehmen, und übergroße Erwartungen oder auch Ängste nicht zu neuen Mächten, die uns unfrei machen!«
Teilnehmer: 27
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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