Bücher setzen in Bewegung
Buchmesse: Mit einem Besucherrekord, vielen Debatten, Lesungen und Begegnungen ist am Sonntag die Leipziger Buchmesse zu Ende gegangen. Auch nach Gott, Kirche der Zukunft und Friedenswegen wurde gefragt. Ein Bericht.Bis Sonntag haben 283 000 Menschen die Leipziger Buchmesse sowie das Lesefest »Leipzig liest« besucht, wie die Organisatoren zum Abschluss mitteilten. Das sind 9000 mehr als im Vorjahr. Buchmesse-Direktorin Astrid Böhmisch sagte, der große Zuspruch zeige nicht nur, wie ungebrochen die Begeisterung für Literatur sei. Er verdeutliche auch den »Wunsch der Menschen, sich auszutauschen und neue Sichtweisen zu entdecken«.
Eröffnet worden war die Buchmesse am Mittwochabend im Gewandhaus mit der Verleihung des Leipziger Buchpreises zur Europäischen Verständigung an den deutsch-israelischen Philosophen Omri Boehm. Mutmaßlich propalästinensische Aktivisten störten dort Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei seinem Grußwort. Auch der Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Tag darauf war von Protesten überschattet. Während seiner Rede in der Alten Börse zum Doppeljubiläum 75 Jahre Grundgesetz und 35 Jahre Friedliche Revolution riefen Aktivistinnen mehrfach Parolen wie »Stopp den Genozid!«.
Viele Veranstaltungen waren von den aktuellen Debatten über Demokratie sowie Krieg und Frieden geprägt. Prominente Gäste waren unter anderem Swetlana Alexijewitsch, Didier Eribon und Thomas de Maizière. Bei der Vorstellung seines Buches »Entfeindet Euch! Auswege aus Spaltung und Gewalt« am Donnerstag in der »Denkmalwerkstatt Friedliche Revolution« betonte SONNTAG-Redakteur Stefan Seidel die Verpflichtung, immer wieder auch nach gewaltminimierenden Lösungen von Konflikten zu suchen. Er warnte davor, bei der sogenannten Zeitenwende »das Kind mit dem Bade auszuschütten« und sich von Auswegen aus der Spirale der Gewalteskalation abzuschneiden. Für die Stärkung der Friedenslogik gab er fünf Impulse: Abbau von Feindbildern; Kultivierung von Skrupeln und umfassender Empathie; Stärkung des Bewusstseins der Zusammengehörigkeit aller Menschen und der Unteilbarkeit von Menschenrechten; das Einnehmen einer Perspektive der Beidseitigkeit samt Streben nach Dialog, Kompromiss und Koexistenz; die Stärkung des Gewissens.
Doch das Programm bot auch leichtere Kost. So stellte der Münchner Priester Rainer Maria Schießler sein Buch »Im Fußballhimmel« am Freitag im gut besuchten Gemeindesaal der Propsteikirche vor. Am eigenen Werdegang schilderte Rainer Maria Schießler, wie er von Kindheit an spielend an den Fußball herangeführt und zum leidenschaftlichen Fan des TSV 1860 München (den »Löwen«) wurde, der er bis heute geblieben ist. Motto: »Einmal Löwe – immer Löwe«. Mit seinem Buch möchte der katholische Geistliche Gemeinsamkeiten dieser faszinierenden Sportart »mit unserem religiösen Empfinden« ausloten. So zieht er immer wieder Parallelen zwischen kirchlicher Liturgie und dem Fußballreglement: z.B. hat für ihn das Hochhalten einer gelben oder roten Karte auf dem Platz auf den zweiten Blick auch etwas Liturgisches, wenn der bestrafte Sünder mit hängendem Kopf vom Feld geht und am Spielfeldrand auf der Bank Buße tun muss … Auch religiöse Bindung und Vereinszugehörigkeit zeigen Parallelen, obwohl die Zusammenkunft von Gläubigen in einem Gottesdienst etwas ganz anderes als ein Fußballspiel ist. Fußball sei keine Religion, aber – so betont Schießler –, es mache ihm Freude, »das eine oder andere hier wie dort zu entdecken«. Und wenn treue Fans in der Stadionkapelle heiraten oder zum Weihnachtsliedersingen ins Stadion statt in die Kirche gehen, findet er das in Ordnung und verweist auf das Christus-Wort, dass Er immer und überall bei uns ist, auch im Stadion. Im Buch schreibt er: »Dort, wo Glaube und Fußball zueinander finden, hat jedenfalls jegliche Form von Fanatismus und Gewalt keine Chance. (…) Der Fußball soll das sein, wofür ihn die Menschen so sehr lieben: ein Miteinander, das alle begeistert«. Diese Begeisterung übertrug sich bei seiner Buchpräsentation auf die Zuhörerschaft und manifestierte sich nach dem »Abpfiff« in einer langen Schlange bei der Signierstunde.
Um die Zukunft der Kirche ging es am Sonntag bei einem Gespräch von Pfarrerin Theresa Brückner mit Stefan Seidel auf dem »Forum Sachbuch« der Messe. Brückner, bekannt als Akteurin in den Sozialen Medien des Internets unter dem Namen »@theresaliebt«, stellte ihr Buch »Loslassen, durchatmen, ausprobieren. Die Zukunft der Kirche beginnt nicht nur im Kopf« vor. Ihre Vision einer künftigen Kirche beschrieb sie im Gespräch so: »Die Kirche wird kleiner, bunter, vielfältiger, beweglicher sein. Ich wünsche mir eine Kirche, in der Menschen Mut bekommen und nicht permanent das Gefühl haben, dass alles den Bach hinuntergeht.« So sieht sie es auch als ihren Auftrag an, nicht den Untergang zu verwalten, sondern die Veränderungen zu gestalten. Wichtig sei hierbei, nicht nur zu reagieren, sondern auch zu agieren. Und sie mahnte einen konstruktiveren und geschulteren Umgang mit Konflikten in der Kirche an, damit nicht wertvolle Energie in unfruchtbaren Prozessen gebunden werde. Auch sei es notwendig, dass Pfarrpersonen nicht mehr überhöht würden.
Denn das ist für Brückner klar: Die Kirche verwaltet einen auch heute noch wertvollen Schatz, den Glauben. Ihren Glauben beschrieb sie als die Kraft, an den Dingen dieser Welt und den Dingen, die im Leben geschehen, nicht zu zerbrechen. Glaube sei für sie das Gefühl, »dass in allem, was passiert ist, was gerade passiert und was noch passieren wird, Gott da ist«.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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