Eine Schule der Demokratie
Vor 35 Jahren trat erstmals der Zentrale Runde Tisch zusammen. Die Kirche spielte eine gewichtige RolleVor genau 35 Jahren, am 7. Dezember 1989, kam der Zentrale Runde Tisch in der DDR erstmals zusammen. Nach den turbulenten Wochen im Oktober und November war er entscheidend für die friedliche Zukunft des kleinen Landes, dessen Bürger gerade in freier Selbstermächtigung den aufrechten Gang lernten. Die Kirche spielte am Tisch eine wichtige Rolle.
Wenn in diesen turbulenten Tagen im Dezember 1989 Besuch kam und sich nach Sebastian Pflugbeil erkundigte, schaltete seine damals 13-jährige Tochter Franziska kurzerhand den Fernseher an, um zu sehen, ob ihr Vater am Runden Tisch saß. Und in der Regel war das auch der Fall. Der Physiker vertrat das Neue Forum dort.
Es war die Zeit des Aufbruchs, der kühnen Alternativen. Der Zentrale Runde Tisch, der sich vor 35 Jahren in Ost-Berlin nach polnischem Vorbild erstmals traf und dessen Plenarsitzungen bis zu seiner Auflösung im März 1990 live vom DDR-Fernsehen übertragen wurden, gehört dazu. Parallel hatten sich auf lokaler und regionaler Ebene Runde Tische gebildet, um die Demokratisierung im Lande voranzutreiben. »Wie in einem Brennglas wurden da die Aufbrüche des Herbstes aufgenommen«, sagt Ralf-Uwe Beck, Bundesvorstandssprecher von »Mehr Demokratie«, einer Bewegung, die nach 1989 deutschlandweiten Auftrieb bekam.
Zunächst tagte der Zentrale Runde Tisch im Betsaal der Herrnhuter Brüdergemeine im Berliner Dietrich-Bonhoeffer-Haus. Am 27. Dezember zog er in das Konferenzgebäude des Schlosses Niederschönhausen um. Moderiert wurde er von drei kirchlichen Vertretern: Martin Ziegler, Karl-Heinz Ducke und Martin Lange. Für sie galt, was auch an den landauf landab gebildeten Runden Tischen galt: Man vertraute ihnen. Sie hatten in den Kirchen nicht nur gelernt zu reden, sondern auch zuzuhören und dazu anzuleiten. Und sie brachten Leitungserfahrung aus kirchlichen Gremien mit. »Das waren in der DDR nicht zuletzt die Kirchenparlamente«, sagt Axel Noack, der damals in Wolfen Pfarrer war und selbst Runde Tische moderiert hat. Schnell fand der Zentrale Runde Tisch weltweite Medienöffentlichkeit. Sorgte er doch mit seiner Zusammensetzung von Vertretern der Opposition und der bis dato herrschenden SED und ihren Verbündeten für einen friedlichen Übergang in die Demokratie. Dazu gehörte die Vorbereitung der ersten freien Wahlen sowie die Entmachtung der noch immer schwer bewaffneten Staatssicherheit.
Dazu gehörte aber auch, dass sich noch am Tag seiner ersten Zusammenkunft am 7. Dezember 1989 die Mitglieder darauf einigten, »sofort« mit der Erarbeitung eines Verfassungsentwurfs zu beginnen. Dabei stand für die Opposition fest, dass das allein ihre Sache sei. Und so kam es auch. Es war ein in der deutschen Geschichte einmaliger Vorgang: ein von unten, von der Basis, erarbeiteter Entwurf einer neuen Verfassung!
Doch dazu blieb nur wenig Zeit. Denn die Einheit sollte nicht nach Artikel 146 des Grundgesetzes auf Augenhöhe vollzogen werden, sondern lediglich als Anschluss nach Artikel 23. Politische Vertreter beider deutscher Staaten bestanden auf dem schnellen Anschluss, nachdem bei der ersten freien Wahl am 18. März 1990 die der CDU nahestehende »Allianz für Deutschland« haushoch gewonnen hatte.
So arbeitete eine Arbeitsgruppe des Runden Tisches fieberhaft am Entwurf einer neuen Verfassung. Neben dem Grundgesetz wurden auch Verfassungen anderer Länder hinzugezogen – zum Beispiel die Nicaraguas. Am 4. April 1990, einen Tag vor der konstituierenden Sitzung der ersten frei gewählten Volkskammer, wurde dann der Verfassungsentwurf einstimmig von der Redaktionsgruppe verabschiedet und tags darauf der Öffentlichkeit präsentiert. Er war unter Federführung des Theologen und späteren Politikers Wolfgang Ullmann erarbeitet worden.
Er umfasste unter anderem soziale Grundrechte wie das Recht auf Arbeit, Wohnung, Bildung und soziale Sicherheit, das Streikrecht und ein Aussperrungsverbot, privilegierte Rechte für Bürgerbewegungen mit Zugang zu Information und Verwaltung, den Umweltschutz. Zum Staatswappen wurde »Schwerter zu Pflugscharen« bestimmt.
Doch von all dem wollte die Mehrheit in der ersten frei gewählten DDR-Volkskammer nichts hören. Man könne dem Parlament nicht Themen der Straße aufdrängen, hieß es ...
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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