In doppelter Mission
Neue Wege: Die Landeskirche Sachsens hat 64 missionarische Pfarrstellen eingerichtet, um Neuland zu betretenAndreas Virginas liebt Hindernisse. Ganz viele davon hat er im Pfarrgarten Beiersdorf westlich von Zwickau aufbauen lassen: Ein Fahrrad-Rundkurs voller Erdhügel, die ihn springen und abheben lassen – zumindest wenn er mutig fährt. Dabei ist der Bikepark Beiersdorf kein Freizeitvergnügen für den Pfarrer, sondern Teil seiner missionarischen Pfarrstelle. Auf diese Weise versucht Virginas schon länger mit kirchenfernen Menschen in Kontakt zu kommen. Eine Art missionarischer Erprobungsraum für mutige Sprünge ins Unbekannte – neben der Gemeindepfarrstelle für die bewährten Formen.
Das Modell machte Schule. Zum Jahreswechsel hat die Landeskirche nun gleich 64 solcher missionarischen Pfarrstellen (M25-Stellen) geschaffen, in jedem Kirchenbezirk vier! Über 40 der Stellen sind schon besetzt. Manche Pfarrer wollen sich dabei um Stadtteilarbeit kümmern, manche Pfarrerinnen um ländliche Entwicklung, andere um Pilgerarbeit, um Tourismus und anderes. Insgesamt soll stärker wahrgenommen werden, was die Menschen vor Ort jeweils brauchen.
In einer Videokonferenz mit den Pfarrern für M25 lobte Landesbischof Tobias Bilz die »außerordentlich mutige Entscheidung der Landessynode« zu diesem Schritt. Doch weil M25 auch eine Reduzierung von Stellen mit sich bringt, sorgte es für Unruhe in Gemeinden und Kirchenbezirken. Denn alle fünf Jahre kürzt die Landeskirche die Zahl der Pfarrstellen um etwa 50. So auch 2025. Zusätzlich wurden etwa 60 halbe Stellen aus der Gemeindearbeit genommen und in die M25 umgewandelt.
Es brauche auf jeden Fall Mut für diese Grenzüberschreitung in das Neue hinein, sagte der Bischof. »Ich ermutige Sie: Tun Sie wirklich das Ungewohnte.« Zugleich brauche es den Mut, das Gewohnte in der Gemeindearbeit weiterzuführen. Ist doch jede der M25-Stellen mit einer halben Gemeindepfarrstelle verknüpft.
»Für die Kirche insgesamt erwarte ich von den M25-Stellen eine enorme Horizonterweiterung«, sagt Bilz. Dort gehe es nicht in den Rückzug oder darum, die verbliebene Gemeinde zu pflegen. Vielmehr müssten die Pfarrerinnen und Pfarrer »offen sein dafür, die Gegenwart Gottes im Unbekannten zu entdecken«.
Pfarrer Virginas in Beiersdorf war mit dem Bikepark und einer Fahrradwerkstatt einer der Vorreiter und hat den Sprung ins Unbekannte schon gewagt. »Ich mache dort ganz andere Erfahrungen«, sagt der 45-Jährige. Gerade im Umgang mit Menschen aus der Flüchtlingsarbeit sei weniger wichtig, vom Glauben zu erzählen, sondern den Glauben zu leben. »Gott begegnet mir in den Menschen, die zu mir kommen«, berichtet der Familienvater von seiner »stärksten Erkenntnis«. Dabei wachse das Evangelium im Kleinen, in wertvollen Begegnungen.
Seine Erwartungen seien aber nicht an die Taufe geknüpft, sagt er. Kein einziger Mensch habe sich durch das Projekt taufen lassen. Trotzdem habe sich der Aufwand gelohnt, auch für die Kirchgemeinde, schätzt der Pfarrer ein. Ihm sei die Änderung der Einstellung wichtig, also auch auf Kirchenferne zuzugehen. Das habe die Gemeinde mit Interesse beobachtet, so Virginas. »Auch ich selbst habe jetzt ein anderes Verständnis von Mission.«
Der Religionssoziologe Gert Pickel von der Uni Leipzig begrüßt die Vernetzung von Kirche und Zivilgesellschaft: »Es ist ausgesprochen wichtig, dass sich Kirche auch in die Gesellschaft hinein orientiert.« Die Aufnahme neuer Ideen könne für Kirchen nur hilfreich sein, meint der Professor. »Wenn solche Aktivitäten allerdings zu stark mit dem Wunsch nach Mission aufgeladen werden, dann dürften sie bei an einer Mitarbeit in der Kirche Interessierten eher abschreckend wirken«, warnt er. Die Pfarrer sollten ohne den Druck missionarischer Erfolge arbeiten dürfen, so dass auch Konfessionslose mit bestimmten Interessen Anschluss finden können in der Gemeinde.
Auch der Vorstand des Berufsverbandes Gemeindepädagogik begrüßt die M25-Stellen und ihr »großes Potenzial«. Sollten Stellen unbesetzt bleiben, würde er sich wünschen, dass auch Gemeindepädagoginnen und Kirchenmusiker die Stellen besetzen könnten, teilte Franziska Zieschang vom Vorstand auf Nachfrage mit.
In der Diakonie Leipziger Land wird künftig neben Tobias Jahn auch Pfarrer Thomas Piehler (im Foto, v. l.) geistlich mitwirken, um die überwiegend nichtchristliche Mitarbeiterschaft zu erreichen. Möglicher Effekt: Vielleicht entstehen dadurch spezielle Diakonie-Gemeinden.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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