Akademie im Wandel
Jubiläum: In einem gastlichen Haus begann 1949 die Geschichte der Evangelischen Akademie Sachsen. Im 75. Jahr ihres Bestehens sucht sie nun neue ökumenische Wege. Am 31. Oktober wird gefeiert.Im Haus Nummer 17 am Jüdenberg in Meißen waren Gäste gern gesehen. Wer zu den Treffen kam, erlebte christliche Bildung, guten Geschmack und herzliche Stilformen des Umgangs, wie sich Aribert Rothe erinnert. Der promovierte Erfurter Theologe hat die evangelische Erwachsenenbildung zu DDR-Zeiten erforscht. In den Räumen mit Biedermeierambiente hingen künstlerisch anspruchsvolle Bilder, gute Musik erklang. Gastgeber waren der Leisniger Superintendent Georg Muntschick und seine Frau Magdalena. Mit ihnen begann 1949 die Geschichte der Evangelischen Akademie Meißen.
Dass Meißen zum Gründungsort wurde, hat einen praktisch-politischen Grund. Eine christliche Akademie genehmigen wollten die DDR-Behörden nur in einem leerstehenden kircheneigenen Gebäude. Ein geeignetes aber war damals nirgendwo in Sachsen zu finden. So stellten die Muntschicks ihr Haus zur Verfügung. In den fünfziger Jahren versammelten sich zu den Tagungen meist um die hundert Leute.
Die offizielle Gründung verkündet Landesbischof Hugo Hahn im Gottesdienst zum Reformationsfest am 31. Oktober 1949 im Meißner Dom. Nach Thüringen und Sachsen-Anhalt ist es die dritte Evangelische Akademie in der DDR. Hahn gibt ihr als Wunsch auf den Weg, sie möge eine »Reisegesellschaft mit dem Ziel Christus sein«. Noch immer unterwegs ist sie auch heute, im 75. Jahr ihres Bestehens. Gefeiert wird das am 31. Oktober mit Gottesdienst und Podium am jetzigen Standort, dem Dresdner Haus der Kirche.
Im Haus Jüdenberg begegneten sich Menschen in seelsorgerlicher Atmosphäre, die sonst wenig miteinander zu tun hatten, wie sich Eva Henze 1956 erinnerte: »Wenn es sich nicht um Tagungen handelt, die einen fest umrissenen Personenkreis ansprechen wollen wie zum Beispiel die Arbeitertagung, die Handwerkertagung, die Tagungen für Bäuerinnen oder junge Pfarrerehepaare, sitzen hier der Arzt neben dem Ingenieur, die Oberschwester neben der Hausfrau, der Arbeiter neben Menschen aus dem kirchlichen Dienst.« Gemäß ihrem Statut von 1979 behandelte die Akademie Fragen, »die das Leben und den Dienst des Christen in Welt und Kirche betreffen«.
Unter den wechselnden Direktoren durchlebte die Akademie unterschiedliche Phasen, auch ihr Verhältnis zur Gesellschaft betreffend. Günter Heidrich-Meisner etwa, 1963 bis 1980 der zweite Direktor, vermied alles Aktuelle und Sozialwissenschaftliche. Die Stasi konstatierte politische Unbedenklichkeit. Doch damit habe die Akademie auch innerkirchlich an Ausstrahlung eingebüßt, meint Aribert Rothe.
Unter Dieter Ackermann gab es bis zu dessen Tod 1985 einen Neuaufbruch mit mehr demokratischer Beteiligung der Teilnehmer. Kuratoriumsvorsitzender wurde der landeskirchliche Literaturbeauftragte Klaus Stiebert (1937-2021), ein kritischer Kopf. Zwar resümierte er später: »Wir haben uns zu angepasst verhalten. Wir hätten oft bisschen mutiger sein müssen.« Direktor Hermann Schleinitz fuhr in der zweiten Hälfte der 1980er tatsächlich wieder einen vorsichtigeren Kurs ohne Politisierung. Doch immerhin wurde Offenheit auch Konfessionslosen gegenüber zum besonderen Merkmal. Es gab Diskussionen mit Atheisten, selbst Vertretern der SED. Die Akademie habe einen »Weg zwischen Opposition und Anpassung« gefunden, meint Rothe. Peter Vogel, Akademiedirektor von 1998 bis 2006, urteilte nach Sichtung der Stasi-Akten sogar, die Akademie gehöre »zu den Orten, an denen die politische Wende von 1989/90 mit vorbereitet wurde«.
Unter Matthias Flothow aus der bayerischen Landeskirche zog die Akademie 1992 in den St.-Afra-Klosterhof des sanierten Augustiner-Chorherrenstiftes Meißen. Gesellschaftliche Verantwortung und Wissenschaft bekamen bei den Tagungen mit Johannes Bilz 2007 bis 2018 stärkeres Gewicht. 2020 konzentrierte die Landeskirche ihre kirchlichen Bildungseinrichtungen im Haus der Kirche (Dreikönigskirche) in Dresden. Umbenannt in Evangelische Akademie Sachsen, bietet sie seitdem mehr Veranstaltungen auch an anderen Orten im Freistaat an.
Stephan Bickhardt, seit 2019 Direktor, betont, die Akademie müsse auch dort tätig sein, wo der Dialog in öffentlichen Angelegenheiten gestört sei. Und dies mit neuen Formaten. Etwa mit dem »Sachsensofa«, zusammen mit der Katholischen Akademie.
Nun prüfen Landeskirche und Bistum Dresden-Meißen die Gründung einer ökumenischen Akademie – als erste deutschlandweit.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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