Mit dem traditionellen Dreiklang aus Friedensgebet, Rede zur Demokratie und Lichtfest ist in Leipzig an die entscheidende Montagsdemonstration gegen das DDR-Regime vom 9. Oktober 1989 erinnert worden. Das Lichtfest am Freitagabend war wegen der Corona-Pandemie vom zentralen Augustusplatz auf den deutlich kleineren Nikolaikirchhof verlegt worden: Statt Tausender Teilnehmer wie in den Vorjahren waren nur 250 geladene Gäste zugelassen.
Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) sagte auf dem Kirchhof, es gehe nicht nur darum, den mutigen Menschen von damals zu danken. Er wolle auch der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass das Streben nach Freiheit, Frieden und Menschlichkeit weitergetragen werde. Dabei denke er ganz besonders an die "unglaublich mutigen" Demonstranten in Belarus. "Nichts muss bleiben, wie es ist", betonte Jung.
Der frühere DDR-Bürgerrechtler Uwe Schwabe erklärte, die Menschen in Deutschland sollten sich "an dem unbändigen Freiheitswillen der Menschen in Belarus" ein Beispiel nehmen. "Wir leben heute als Bürger in Freiheit, aber auch in Verantwortung", erklärte er. Das bedeute auch, "allen intensiv entgegenzutreten, die unsere Demokratie gefährden oder abschaffen wollen".
Sachsens Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow sagte in Vertretung von Ministerpräsident Michael Kretschmer (beide CDU), der kurzfristig abgesagt hatte, man müsse immer wieder an den Wert und die Bedeutung der friedlichen Revolution erinnern und beides an kommende Generationen weitertragen. Die Ereignisse hätten die Grundlage dafür geschaffen, "dass wir heute in Freiheit leben können und es einen Rechtsstaat auf dem Gebiet der ehemaligen DDR gibt".
Zuvor hatte der deutsch-polnische Politologe Basil Kerski eindringlich für eine stärkere gesamteuropäische Würdigung der 1989er-Revolutionen in der DDR und Osteuropa geworben. 1989 sei "ein Schlüsseldatum der Weltgeschichte", betonte der Direktor des Europäischen Solidarnosc-Zentrums in Danzig in seiner Rede zur Demokratie. Es sei daher "erstaunlich, wie distanziert die Europäer zu diesem Erinnerungsort stehen". Der "Epochenwechsel" von 1989 sei "eine in Europa in den letzten Jahren viel zu selten reflektierte und zu selten als wichtige Quelle genutzte Erfahrung", erklärte Kerski. Dabei sei das Jahr "die Geburtsstunde des politischen Europas, in dem wir heute Leben". 31 Jahre danach werde deutlich, "dass wir es nicht verstehen, europäische Jubiläen der Freiheitsgeschichte zu nutzen, damit positive Bindungen zwischen den europäischen Gesellschaften entstehen, um ein gemeinsames politisches Traditionsbewusstsein zu pflegen". Dabei erstaune ihn die vergessene europäische und weltpolitische Dimension von 1989 "besonders in Deutschland", betonte Kerski. Heute erschwerten Europas politische Integration "zum einen Defizite im Wissen um demokratische Traditionen, zum anderen das Fehlen einer europäischen Erzählung, die alle Teile des Kontinents umfasst", sagte Kerski und appellierte: "Ohne ein europäisches Geschichtsbewusstsein, Traditionsbewusstsein gibt es keine demokratische Zukunft Europas."
Zuvor hatte der Theologe und Leiter der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, Roland Löffler, in einem Friedensgebet an die gemeinsame Verantwortung der Gesellschaft für das Erbe von 1989 appelliert. "Anstatt auf das zu schauen, was uns trennt, sollten wir darauf sehen, was uns eint und worauf wir aufbauen", sagte der Leiter der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung. Das Erbe der friedlichen Revolutionäre gelte für alle Menschen in Deutschland, betonte er.
In Leipzig waren am Abend des 9. Oktober 1989 nach Friedensgebeten in der Nikolaikirche und weiteren Gotteshäusern mehr als 70.000 Menschen um die Innenstadt gezogen. Gewaltlos protestierten sie gegen das SED-Regime und läuteten damit das Ende der DDR ein. Wenige Wochen später fiel die Berliner Mauer.
Hier finden Sie den Link zur Veranstaltung und ebenso das Video mit dem Friedensgebet aus der Nikolaikirche Leipzig.
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