Man kann Herrn Prof. Wolfgang Huber nur zustimmen, insbesondere, wenn man sein gesamtes in der "ZEIT" abgedrucktes Interview gelesen hat. Seine Begründungen sind absolut nachvollziehbar und interessanter Weise äußert er sich darin ebenfalls zum Thema des Hinhaltens der anderen Wange, nur gänzlich anders als Prof. Leonhardt. Das Problem im konkreten Fall Nordirak ist nur: Was uns die ganze Zeit von Seiten des Herrn Kauder und der übrigen vereinigten Politprominenz zum Thema der Peschmerga verkauft wird, trifft offenbar gar nicht zu. Vielmehr scheint es so zu sein, dass die "Dem Tod ins Auge schauenden Kämpfer" nach mehreren übereinstimmenden Berichten erst einmal in vollem Kalkül die Yeziden in Sindschar und Makhmur "hingehängt" und den Banditen der ISIS ausgeliefert haben. Dabei haben sie Waffenarsenale kampflos diesen Verbrechern überlassen. Erst durch Eingreifen gut organisierter PKK-Bataillone, die ihre kurdischen Brüder mit vorgehaltener Waffe zum Kampf "gebeten" haben, ist dann eine gewisse Stabiliierung der Front erreicht worden. Und das sollen jetzt die Partner sein, die auch von deutscher Seite mit Waffen ausgerüstet werden sollen? Wie verlässlich sind denn die Informationen überhaupt, über die unsere Regierenden verfügen? Wer organisiert eigentlich die Verteilung der Waffen und Geräte, die ja eigentlich an die irakische Regierung geliefert werden und dann erst in die Hände der Kurden gelangen sollen? Wer garantiert denn eigentlich, dass auf dem Transport dorthin nicht wundersam eine "Verdunstung" des Materials stattfindet? Kann doch passieren unter den klimatischen Bedingungen. Heute morgen hörte ich im Deutschlandfunk, dass der Transport von einem russisch-ukrainischen Flugunternehmen übernommen wird. Wie bitte jetzt? War da nicht noch was? Mir kommen diese ganzen "Schnellschüsse" - ähnlich wie bei der "Energiewende" - reichlich dilletantisch vor. Leider, leider, es wird sich vermutlich herausstellen, dass ausgerechnet Gregor Gysi mit seinen Ausführungen in der Bundestagsdebatte zu den Waffenlieferungen recht behalten wird. Und das ist sehr ärgerlich und führt dann zu solchen Wahlergebnissen wie letzte Woche in Sachsen.
Frieden schaffen mit Waffen?
Deutschland will Waffen an die Kurden liefern im Kampf gegen die islamistischen IS-Terroristen – auch unter Sachsens Christen ist das umstritten.Als Syriens Diktator Assad vor einem Jahr Giftgas über sein eigenes Volk strömen ließ, baten Friedensgebete, Gott möge ein Eingreifen der USA verhindern. Und es geschah. Assad und seine Helfer schlachteten weiter, und ganz nebenbei gebar ihr Krieg die IS-Terroristen. Erst als diese Islamisten in den Irak einfielen und Abertausende bedrohten und vertrieben, kam die Gretchenfrage der Gewalt in anderer Gestalt zurück: Soll, darf Deutschland den bedrohten Kurden Waffen liefern?
Die Bundesregierung sagte am vergangenen Wochenende Ja. Evangelische Christen wie die frühere EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann und der Berliner Bischof Markus Dröge warnen jedoch vor Waffenexporten.
Der Gründer des Martin-Luther-King-Zentrums für Gewaltfreiheit in Werdau, Georg Meusel, weist darauf hin, dass die Islamisten schon jetzt mit erbeuteten Waffen aus NATO-Ländern stark geworden sind. »Nun erhält die kurdische Peschmerga Waffen aus dem NATO-Staat Deutschland in der Gefahr, dass auch diese von der IS erbeutet und gegen Kurden eingesetzt werden.« Statt das Rad der Gewalt weiterzudrehen, plädiert der Friedensaktivist Meusel für humanitäre Hilfe und Verhandlungen – »wenn es auch schwerfällt, mit Terroristen zu reden«.
Die evangelische Friedensethik stellt die Debatte um Waffen für Kurdistan auf eine ernsthafte Probe. Hatte sie nach dem Zweiten Weltkrieg und der atomaren Bedrohung im Kalten Krieg zu einem entschlossenen Nein zum Krieg gefunden, bekam dieses Nein nach dem Völkermord in Ruanda, nach Sebrenica und dem 11. September 2001 Risse. Die jüngste EKD-Friedensdenkschrift von 2007 hält zur Erreichung eines gerechten Friedens in eng umgrenzten Extremfällen auch kriegerische Gewalt für rechtmäßig – auch wenn sie Schuld bleibt.
Sachsens Landesbischof Jochen Bohl unterstützt die Kultur der militärischen Zurückhaltung. »Dabei will ich nicht übersehen, dass es Situationen geben kann, in denen das Untätigsein ein größeres Übel darstellt als ein maßvolles und zielorientiertes Handeln.« Aus diesem Grund habe er 1990 den Bundeswehreinsatz im Kosovo-Konflikt für gerechtfertigt angesehen, sagt der stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende. »Die furchtbaren Verbrechen der Terrorbande IS und die Lage der kurdischen Regionalregierung sind aus meiner Sicht eine hinreichende Begründung der Entscheidung der Bundesregierung, in begrenztem Umfang Waffen zu liefern.«
Der renommierte Ethikprofessor und frühere EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber bringt es auf diese Formel: »Für mich schließt das Gebot ›Du sollst nicht töten‹ auch das Gebot ein: ›Du sollst nicht töten lassen‹. Wir haben Verantwortung für andere und werden auch dann schuldig, wenn wir die Opfer des IS allein lassen.«
Und was ist mit der Bergpredigt? »Man kann sich individuell so verhalten und die andere Wange hinhalten, wenn man überfallen wird – auch wenn das kaum einer tut«, sagt Rochus Leonhardt, der als Theologieprofessor in Leipzig evangelische Ethik lehrt. »Aber für einen politischen Akteur wäre das verantwortungslos, er würde damit nur die Gerechten den Sündern ausliefern.« Die Bibel wusste schließlich nichts von den Dilemmata der heutigen Situation in Syrien und im Irak, sagt der Theologieprofessor. Der politische Kompass in solchen Entscheidungen müsse deshalb viel eher in der Vernunft gesucht werden.
Doch jedem Krieg geht das Versagen der politischen Vernunft voraus, auch in Syrien und im Irak. Was sollen die Gläubigen beten, wenn dieser Ernstfall eintritt: dass der Westen keine Gewalt unterstützen möge, selbst wenn sie die Rettung wäre für viele? Oder dass viele gerettet werden, und sei es mit Gewalt?
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