Unmut über Einschnitte
Gottesdienst-Einschränkung: Zunehmend wird Unmut über die Untersagung gottesdienstlicher Zusammenkünfte wegen des Coronavirus laut – und Vorwürfe gegen Politik und Kirche.Am Anfang war es eine »dringende Empfehlung« des Landeskirchenamtes an die Kirchgemeinden: Als Mitte März noch Veranstaltungen erlaubt waren, sollte wegen der Corona-Pandemie schon flächendeckend auf Gottesdienste verzichtet werden. Da die Gemeinden das aber selbst entscheiden mussten, gab es auch Widerstände. Im Kirchenbezirk Freiberg sah eine Gemeinde die Gefahr, dass das Gotteslob verstummen könnte – und feierte Gottesdienst. Danach musste sich die Gemeinde vor Superintendentin Hiltrud Anacker erklären und sollte weitere Feiern unterlassen, berichtet Anacker. Das Gotteslob finde jetzt andere Formen und verklinge nicht, habe die leitende Geistliche argumentiert. Doch diese Meinung habe die Gemeinde nicht geteilt, so Anacker. Dabei verstehe sie den Schmerz der Gemeinde und dass die Menschen massiv darunter litten.
Die Stimmen derer, die mit den Veranstaltungsverboten in Kirchen nicht einverstanden sind, mehren sich. Der Kirche wird vorgeworfen, die Einschränkungen einfach hinzunehmen. In der Karwoche entschieden schließlich Verwaltungsgerichte, darunter auch in Leipzig, dass auch in Kirchen die Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie verhältnismäßig und damit zulässig seien.
Für den mittelsächsischen Juristen Torsten Schmidt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, brauche dieser Eingriff in die Grundrechte »extrem wichtige Argumente«. Die meisten Kirchen seien groß und mit entsprechend großen Abständen der Menschen untereinander halte er das Infektionsrisiko für geringer als in einem Lebensmittelmarkt. Zudem verweist er auf die Kirchenverfassung in Sachsen und damit auf das Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft: »Die Kirchgemeinde ist die Gemeinschaft von Kirchengliedern, die um Wort und Sakrament gesammelt wird«, zitiert er. Diese Sammlung, das persönliche Treffen, sei jetzt nicht möglich. Vor wenigen Tagen entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Veranstaltungsverbote in Kirchen zulässig seien.
Die Bedeutung des Ausnahmezustandes gerade zu Ostern scheint auch den Entscheidungs- und Verantwortungsträgern in Politik und Kirche bewusst: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) schreibt extra einen Brief an alle Bürger im Freistaat; Landesbischof Tobias Bilz schreibt an alle Christen der Landeskirche; und schließlich tritt Kretschmer zusammen mit Bischof Bilz und seinem katholischen Amtskollegen Heinrich Timmerevers gemeinsam mit einer Videobotschaft aus der Dresdner Kreuzkirche in Erscheinung.
Tobias Bilz spricht darin von einer gemeinsamen Verantwortung von Politik und Kirchen in diesen schwierigen Zeiten. »Wir haben auf Gottesdienste verzichtet, weil wir aus Verantwortung und Nächstenliebe handeln«, betont Bilz.
»Der liebe Gott hat uns einen Kopf gegeben zum Denken. Ein Herz zum Fühlen und Hände zum Zupacken. Und die brauchen wir in dieser schwierigen Zeit«, erklärt Kretschmer. Das Coronavirus könne nur besiegt werden, »indem wir uns zurücknehmen, Infektionen untereinander unterbinden und die Zeit überbrücken, bevor es Impfstoffe und Medikamente gibt«. Zur notwendigen Geduld dieser Zeit gehöre »leider auch, dass wir die für uns so wichtigen Gottesdienste dieses Ostern nicht erleben können«, sagt der bekennende Protestant Kretschmer.
Dem SONNTAG sagte Landesbischof Bilz darüberhinaus, dass es zurzeit intensive Gespräche mit den Vertretern des Freistaats gäbe, unter welchen Bedingungen Gottesdienste bald wieder gefeiert werden können. »Dabei habe ich persönlich den Eindruck, dass man auf staatlicher Seite ein geschärftes Bewusstsein dafür hat, was uns der Verzicht auf Gottesdienste in unseren Kirchen am Osterwochenende abverlangt hat«, so Tobias Bilz.
Positiv sei aber, dass »neue Kommunikationsmöglichkeiten auch für den Glauben und ein erweitertes Verständnis für die Osterbotschaft entstanden sind und noch entstehen«, sagt der Bischof. Er sehe eine Intensivierung des geistlichen Lebens. Die Freiberger Superintendentin Hiltrud Anacker beobachtet, dass Kirche jetzt zu den Menschen unterwegs sei statt Menschen zur Kirche, etwa durch Briefe an alle Gemeindeglieder.
Und der Landesbischof ergänzt: »Auch in der Öffentlichkeit war die Bedeutung des Osterfestes schon sehr lange nicht so interessant wie heute.« Zurzeit werde die Stimme der Kirche intensiv gehört.
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