Mich würde ja mal interessieren, was die Denkmalpflege zu dem thema gesagt hat. Immerhin ist auch das ein Zeitzeugnis, das es so wohl nicht häufig gibt.
Gert Flessing
Den Kriegsgeist ausgetrieben
Von nationaler Euphorie erzählte der Altar in Bockendorf – nun wurde er überklebtDaniel Mögel hat Unruhe gestiftet. Seitdem der Pfarrer vor zehn Jahren die Bockendorfer Kirche betrat, störte ihn der damals 90 Jahre alte »Geist« des Hauses. »Ich habe mich beschwert über diese Kirche«, sagt Mögel. Die Ausmalung der Kirche behagte ihm nicht. Seine Beschwerde traf die Gemeinde hart und entfachte eine teils sehr emotionale Diskussion.
Ganz konkret ging es Daniel Mögel um den nationalen Geist der Euphorie des beginnenden Ersten Weltkriegs. Die im September 1914 fertiggestellte Ausmalung der Kirche hinterließ beispielsweise an der Empore den Schriftzug »Unsterbliche Ehre den Helden« – und das in den größten Buchstaben der ganzen Innenbemalung. Ringsherum an der Empore sind die Namen jener damaligen »Helden« aufgezeichnet, die ab 1914 in den Krieg zogen.
Besonders gestört habe Mögel aber der Altarspruch aus Jesaja, Kapitel 8, Verse 9 und 10: »Seid böse, ihr Völker, und gebt doch die Flucht! Höret’s alle, die ihr in fernen Landen seid! Rüstet euch, und gebt doch die Flucht! Beschließt einen Rat, und es werde nichts daraus; beredet euch, und es bestehe nicht; denn hier ist Immanuel.«
»Hier hat das Ausdruck gefunden, was vor 100 Jahren überall gedacht wurde«, meint Daniel Mögel und erinnert sich an die Predigt zur Einweihung der Ausmalung. Sie hätte überall gehalten werden können. »Unsterbliche Ehre aber gibt es nur bei Gott«, sagt der Pfarrer mit Bezug auf die Emporenbemalung.
Auch der vorhergehende Pfarrer habe den Altarspruch zeitweise schon mit Altarschmuck verhängen lassen. Allerdings habe es damals keine besondere Erklärung dafür gegeben, geschweige denn eine Diskussion über den Bibelvers in der Gemeinde. Nun gab es sie, und sie dauerte bis jetzt schon zehn Jahre.
Im Männerkreis, dem viele ältere Christen angehören, sei intensiv darüber diskutiert worden. Die Männer hatten sich besonders mit der Ausmalung identifiziert, nicht zuletzt wurden ihre Vorfahren hier geehrt. Einer der Dorfältesten habe anfangs gesagt: »Wenn der Pfarrer das alles ändern lässt, dann trete ich aus der Kirche aus«, erinnert sich der 76-jährige Arndt Häußler. Auch er selbst sei anfangs skeptisch gewesen und fand es gut, dass der Pfarrer »die Sache dann langsam angegangen ist«.
»Man denkt, was so ist, das muss so sein«, erklärt sich Antje Wagner, dass sie bis vor zehn Jahren nicht weiter über diese Verse nachgedacht hat. »Aber damals waren das schon Helden«, sagt die 43-jährige Kirchvorsteherin. In verschiedenen Gemeindekreisen sei das Thema diskutiert worden. Auch im Gemeindebrief wurde davon berichtet. Der Kirchenvorstand einigte sich schließlich auf Veränderungen: Vor wenigen Wochen wurde der Altarspruch mit Papier überklebt und darauf eine Holztafel mit einem neuen Vers angebracht.
»Es war ein langer Prozess, der fruchtbar gewesen ist«, sagt Sabine Teuchert. Die 34-jährige Kirchvorsteherin hat die Veränderungen auf einer Infotafel dokumentiert. »Wenn ich jetzt auf den Altar schaue, habe ich ein positiveres Gefühl. Ich finde es aber gut, dass der alte Spruch noch erhalten ist. Er gehört zur Geschichte dieser Kirche dazu«, sagt Sabine Teuchert. Sie sieht damit aber die Veränderungen noch nicht am Ende: »Es sind noch einige Dinge fragwürdig«, denkt die junge Frau zum Beispiel an die heldenverehrende Emporenbemalung von 1914.
Würde mich auch interessieren!
1. Ist es ein Zeitzeugnis!
2. Kann man den (alten)Text auch positiv betrachten. Hier (in der Kirche, am Altar) ist Imanuel.
Die kirchliche Baupflegerin Ina Mittelsdorf vom Regionalkirchenamt Leipzig sagte, sie halte den neuen Altarspruch für sehr gelungen und sei für weitere Veränderungen offen. Vom Landesamt für Denkmalpflege erklärte Dr. Steffen Delang dazu unter anderem: "Natürlich gehen Denkmalpfleger zunächst von der möglichst vollständigen Bewahrung des überlieferten Zustandes eines Kirchgebäudes aus. Aber es handelt sich eben auch um ein Bauwerk, das einer heutigen Kirchgemeinde den Raum für den Gottesdienst gibt und nicht einzig und allein als Gedenk-Ort und Mahnmal fungieren kann. Die so erstaunlich geschlossene Gestaltung, die einerseits von der damaligen Kriegseuphorie kündet und im Anschluss an die Katastrophe dann einem überbordenden Kriegergedenken Raum gibt, schränkt die Möglichkeiten für das heutige Gemeindeleben natürlich ein. Aus diesem Grund wurde an uns die Bitte herangetragen, wenigstens den Spruch der Predella zu ändern, mit dem sich die Gemeinde nicht mehr identifizieren konnte und wollte. Und dies ist gut nachvollziehbar. Natürlich wurde der vorhandene Spruch nicht vernichtet. Als Zeitzeugnis ist er dokumentiert und unter der heutigen Schrifttafel erhalten geblieben."
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