Wie wir Mauern überwinden
Annäherung: Die Woche der Brüderlichkeit stellt ab 5. März den christlich-jüdischen Dialog in den Mittelpunkt und zeigt: Überwindung von Feindschaft ist möglich. Und: Religion kann den Frieden befördern.
Wenn unter dem Motto »Öffnet Tore der Gerechtigkeit – Freiheit, Macht, Verantwortung« am Sonntag in vielen Orten die »Woche der Brüderlichkeit« begangen wird, steht ein hochaktuelles Thema im Mittelpunkt: Wie können wir einander als Menschen begegnen, die mehr verbindet als trennt? Wie können Spaltungen, Feindschaften und Vorbehalte überwunden und statt dem Trennenden das Gemeinsame und das gegenseitig Förderliche gesucht werden? Können gemeinsame Wurzeln und Verbindungen die auseinandertreibenden Tendenzen aufhalten? Die christlich-jüdische Aussöhnung, derer sich die »Woche für die Brüderlichkeit« seit 1952 widmet, ist ein ermutigendes Beispiel für die Wiederannäherung einst verfeindeter Menschengruppen. Wie tief waren doch die Gräben zwischen Christen und Juden. Jahrhundertelanger christlicher Antijudaismus vergiftete dieses Verhältnis und begründete eine tragische Schuldgeschichte. Es bedurfte mutiger Vordenker auf beiden Seiten, die bereit waren, den Stachel der Feindschaft auch gegen Widerstände zu entfernen und das Verbindende der Geschwisterreligionen wieder freizulegen.
Einer von ihnen war jüdischerseits Schalom Ben-Chorin (1913–1999). Er war überzeugt: »Kein Abgrund aber darf ewig klaffen. Ihn zu überbrücken, ist Forderung und Aufgabe unserer Lebensstunde.« Eines seiner Anliegen war es, mehr Wissen über das Judentum und die tiefe Verwurzelung des Christentums im Jüdischen zu verbreiten. Denn sonst bestehe stets aufs Neue die Gefahr eines Abgleitens in Vorurteile und Feindschaften. Er schrieb: »Unwissenheit erzeugt Misstrauen, Misstrauen erzeugt Hass. Hass erzeugt Gewalttat. Immer wieder haben wir das erlebt.
Daher meine ich, es muss diese unheilvolle Kettenreaktion am untersten Glied abgebaut werden, bei der Unwissenheit. Sie müssen mehr vom Judentum wissen! Und ich setze mich dafür ein, dass meine jüdischen Schwestern und Brüder mehr vom Christentum wissen. Damit können wir etwas von der Gemeinsamkeit erleben.« Diese gründet auch in der Entdeckung des Juden Jesus und des unauflöslichen Zusammenhängens des ersten und zweiten Bundes Gottes. »Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Scharen, die ganze Welt ist voll seiner Herrlichkeit. Das sollen wir einander zurufen als Zeugen Gottes in seiner Welt«, erklärte Ben-Chorin. In dieser gemeinsamen Zeugenschaft seien Christen und Juden verbunden – »und im gemeinsamen Gebet hingewendet zu unserem Vater im Himmel und ausgerichtet auf das telos der Geschichte, das Ziel: Reich Gottes für diese Erde, das Reich des Friedens, der Gerechtigkeit und der Liebe.« Diesen Impuls wollen auch die Initiatoren der diesjährigen »Woche für die Brüderlichkeit« aussenden.
Zum Motto schreibt der Vorstand des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit: »Öffnet Tore der Gerechtigkeit – hinter dieser Aufforderung steht die biblische Vorstellung, dass die Welt Gottes ein Ort ist, der für alle offensteht. Das Bild des Tores wird damit zum Gegenentwurf für alle Mauern, die Menschen gegeneinander aufrichten.« Und noch an einen anderen Vordenker des interreligiösen Dialogs sei in diesem Zusammenhang erinnert: Hans Küng (1928–2021). Er war davon überzeugt, dass sich Treue zum eigenen Glauben und Öffnung gegenüber anderen religiösen Traditionen nicht ausschließen, vielmehr zu einem gedeihlichen Miteinander führen. Nur durch Gespräch und Miteinander könne Frieden wachsen. Denn es gilt: »Kein Frieden unter den Nationen ohne Frieden unter den Religionen. Kein Frieden unter den Religionen ohne Dialog zwischen den Religionen.«
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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