Zu den Wunden der Welt
Die am 24. Juli vor 40 Jahren in Vancouver begonnene Weltversammlung der Kirchen war ein Aufbruch zu Gerechtigkeit, Frieden und Schöpfungsschutz. Das bleibt dringlich.Als vom 26. Juli bis 10. August 1983 die VI. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) im kanadischen Vancouver den gemeinsamen Lernweg christlicher Kirchen zu Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung beschloss und die Stationierung von Massenvernichtungswaffen als Verbrechen gegen die Menschheit bezeichnete, war auch eine Delegation der DDR-Kirchen dabei: 25 Christen unter Leitung des sächsischen Landesbischofs Johannes Hempel. Ich war damals als Jugenddelegierte des Bundes Evangelischer Kirchen in der DDR dabei. Bis heute sind mir die Worte der deutschen Theologin Dorothee Sölle in Erinnerung geblieben, die in ihrem Hauptvortrag sagte: »Liebe Schwestern und Brüder aus der 3. und der 2. Welt, ich bitte euch: Folgt uns nicht. Beansprucht, was wir euch gestohlen haben, aber folgt uns nicht. Ihr werdet sonst traurig mit dem reichen Jüngling von Jesus Christus Abschied nehmen müssen. Lasst euch nicht auf unsere in der westlichen Welt entwickelte Vorstellung von ›Der Fülle des Lebens‹ ein. Sie ist eine Lüge. Sie trennt uns von Gott, sie macht uns reich und tot.«
1983 war besonders geprägt von der bevorstehenden Stationierung der Atomwaffen, zunächst im Westen Deutschlands, später in der DDR. In dieser hochexplosiven Zeit beantragte die DDR-Delegation in Vancouver ein gesamtchristliches Friedenskonzil. Sie berief sich dabei auf Dietrich Bonhoeffer, der 1934 auf einer ökumenischen Jugendkonferenz in Fanø/Dänemark sagte: »Nur das eine große ökumenische Konzil der Heiligen Kirche Christi aus aller Welt kann es so sagen, dass die Welt zähneknirschend das Wort vom Frieden vernehmen muss und dass die Völker froh werden, weil diese Kirche Christi ihren Söhnen die Waffen aus der Hand nimmt und ihnen den Krieg verbietet und den Frieden Christi ausruft über der rasenden Welt.«
Im Antrag der DDR-Delegation hieß es: »Wir müssen umkehren aus dem Irrtum, wir könnten das Leben gewinnen, indem wir unsere Fähigkeit zu töten perfektionieren. Gottes Friedensgebot fordert von der Kirche, dass sie sich für die Beseitigung von Unterdrückungsstrukturen einsetzt. Nur eine Kirche, die sich für Abrüstung einsetzt, kann wirksame Kirche für die Armen sein.« Die Kirchen wurden dringend aufgerufen, auf die Regierungen ihrer Heimatländer Einfluss auszuüben, dass sie für Abrüstung und gegen Stationierung neuer Waffensysteme eintreten. Die Bedrohung durch Atomwaffen wird nicht nur eine Gefahr für die Zukunft, sondern eine gegenwärtige Realität genannt. Die Völker der Erde brauchen Frieden, Gerechtigkeit und die Schaffung atomwaffenfreier Zonen – sowie die Entmilitarisierung des Weltraumes und den Verzicht auf Ersteinsatz von Atomwaffen. Entgegen dem ursprünglichen Plan wurde dieser Text lediglich in einer Fachgruppe diskutiert. Aber die Inhalte flossen auf diesem Weg in die Programmrichtlinien für die zukünftige Arbeit des ÖRK: Es sollte ein ökumenischer Lernweg für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung in Gang gesetzt werden. In der DDR wurden daraufhin unter Einbeziehung der Basisgruppen und der katholischen Kirche 1988/89 drei ökumenische Versammlungen in Dresden, Magdeburg und wieder Dresden initiiert.
»Seitdem hat sich die Weltlage dramatisch verändert. Die Welt steht am Abgrund«. So formulierte es die ökumenische Vernetzungsinitiative »casa comun«, die sich mit einem Brief an die Delegierten der ÖRK-Vollversammlung im letzten Jahr in Karlsruhe wandte und für die prophetische Rolle von Kirchen und Christen warb. Die Kirchen müssen den Konflikt mit den Mächtigen und Plünderern wagen angesichts der endlosen Ausbeutung und des grenzenlosen Wachstums des Reichtums der Reichen und Mächtigen, der mittlerweile den gesamten Öko-Haushalt Gottes bedroht. Sich für die Beseitigung von Unterdrückungsstrukturen und für Alternativen zu militärischen Logiken einzusetzen, sind nach wie vor dringende Aufgaben der Kirchen, wie es die DDR-Delegation schon damals formulierte.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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