Nach der Oberbürgermeisterwahl im sächsischen Pirna rufen Wissenschaftler und weitere Vertreter der Gesellschaft zur Verteidigung der Demokratie auf. Zugleich geben sie Nichtwählerinnen und Nichtwählern eine Mitverantwortung am kommunalen Wahlsieg der rechtsextremen AfD. Das sächsische Pirna hatte am Sonntag mit Tim Lochner den bundesweit ersten AfD-Oberbürgermeister gewählt. Der für die AfD angetretene parteilose Tischlermeister erhielt nach dem vorläufigen Wahlergebnis 38,54 Prozent der Stimmen. Die CDU-Kandidatin Kathrin Dollinger-Knuth bekam 31,4 Prozent, der Kandidat der Freien Wähler, Ralf Thiele, 30,1 Prozent. Vor gut einer Woche hatte der sächsische Verfassungsschutz den Landesverband der AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft.
Laut dem Leipziger Politikwissenschaftler Johannes Kiess sind rechtsextreme Positionen in Teilen Sachsens weit verbreitet. „Menschen wählen die AfD und ihre Kandidaten nicht trotz, sondern wegen ihrer Positionen“, sagte Kiess dem Evangelischen Pressedienst (epd). Insofern sei die Einstufung der AfD als rechtsextrem „weniger ein Signal an die Wähler der AfD, als an alle Demokratinnen und Demokraten, dieses Problem endlich ernst zu nehmen“. Ähnlich äußerte sich der Dresdner Politikwissenschaftler Steffen Kailitz: Das aktuelle Wahlergebnis dürfte vor allem „auf eine grundlegende Übereinstimmung der Wählerschaft mit den rechtsextremen Kernpositionen und der politischen Ausrichtung der AfD in der Region zurückzuführen sein“, sagte Kailitz dem epd. In ganz Ostdeutschland hätten die Einschätzungen zur AfD durch den Verfassungsschutz keinen nennenswerten Effekt auf die Wahlergebnisse der Partei. Die OB-Wahl in Pirna sei dafür „ein erneuter starker Beleg“. Die Partei habe eine feste Wählerbasis etabliert.
Sachsens evangelischer Landesbischof Tobias Bilz kritisierte die eher geringe Wahlbeteiligung von 53,8 Prozent. „Ich muss vermuten, dass es vielen in Pirna egal war, wer ihr Oberbürgermeister oder ihre Oberbürgermeisterin wird“, sagte der Bischof. Er kritisierte zudem: „Wir sind insgesamt mit Blick auf den Rechtsextremismus viel zu passiv.“
Die Superintendentin des Kirchenbezirks Brigitte Lammert äußert sich besorgt über den Wahlausgang: „Viele der Pirnaer sind erschüttert nach dieser Wahl und werden nun genau mitverfolgen, wie sich der neue Oberbürgermeister für die Bedürfnisse und Interessen der Einwohner einsetzt, ob er die bisher gelebte Vielfalt und Offenheit mitträgt und die Stadt attraktiv halten kann.“
Im Juni hatte die AfD bereits im Thüringer Landkreis Sonneberg erstmals eine Landratswahl für sich entschieden. Im August folgte Hannes Loth in Raguhn-Jeßnitz in Sachsen-Anhalt als bundesweit erster hauptamtlicher Bürgermeister einer Gemeinde. In Sachsen wird am 1. September 2024 ein neuer Landtag gewählt. Die AfD sieht sich nach Pirna gestärkt. Laut dem sächsischen AfD-Chef Jörg Urban will die Partei im nächsten Jahr an die 40 Prozent der Stimmen erreichen. Das Internationale Auschwitz Komitee nannte den AfD-Wahlsieg in Pirna „ein bitteres Signal an alle Repräsentantinnen und Repräsentanten der demokratischen Parteien“. Dies sei möglich, wenn sich die demokratischen Parteien nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen könnten, kritisierte Exekutiv Vizepräsident Christoph Heubner in Berlin.
Auch der Präsident des Deutschen Städtetages, Markus Lewe, zeigte sich von dem Wahlergebnis beunruhigt. Parteien mit extremistischen Positionen setzten auf die Spaltung der Gesellschaft und schürten Angst, warnte er.
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