Es hat über zehn Jahre gedauert, bis hier, in Lunzenau, die Wahrnehmung, das wir eine Gemeinde mit drei Kirchen und nicht mehr drei Gemeinden sind, doch angekommen scheint. Wie viel "Kirchturmdenken" dennoch übrig geblieben ist bei den Gemeindegliedern, weiß ich nicht. Aber die Tatsache, das es immer noch einige gibt, die es nicht so recht über sich bringen, am Sonntag in eine andere Kirche, als in "ihre" zu gehen, gibt mir zu denken.
Es ist schön, dass die Landeskirche "in der Fläche präsent" bleiben will. Aber ob es möglich ist, steht auf einem anderen Blatt und der Gedanke, die Pfarrer zu entlasten und die Kantoren und anderen Mitarbeiter zu entlasten, indem sie dieses oder jenes einfach fallen lassen können, ist in seiner Schlichtheit wirklich bestechend.
Was sage ich den vier Frauen eines Frauendienstes, die regelmäßig und mit großer Treue jeden Monat zusammen kommen? "Ihr seid nicht mehr effektiv."?
Gewiss last sich manches organisiseren und mit Fahrdiensten lösen. Es ist auch möglich, als Pfarrer, auf Verwaltungsarbeit zu verzichten. Vorausgesezt, man hat genügend Vertrauen zu seiner Verwaltung und den Menschen, die sich um sie kümmern. Mir erspart dieses Vertrauen manche Stunde.
Aber manches muss man eben doch tun, auch im Blick auf Baugeschichten, denn manchmal kommt es auf die Kontakte an, die eben bisher nur ein Pfarrer aufbauen kann.
Also so einfach wird das alles nicht werden und ich bin, gelinde gesagt, froh, das ich die "Restlaufzeit" meines Dienstes überblicken kann.
Gert Flessing
Wieviele Gemeindekreise soll ein Pfarrer gestalten? Wieviel Instrumentalunterricht soll ein Kantor anbieten? Wieviele Kindergruppen soll ein Gemeindepädagoge betreuen? Dem Abschlussbericht der Arbeitsgruppe zu den Berufsbildern der Verkündigungsmitarbeiter zufolge müssen jetzt Abstriche gemacht werden, und zwar konkrete.
Weniger Verwaltung für alle Mitarbeiter im Verkündigungsdienst ist sicherlich eine gute Nachricht – wie sich das konkret umsetzen lässt, bleibt offen. Außerdem leiten Pfarrer regelmäßig keine Gemeindekreise mehr. Kantoren sollen weniger Unterricht auf Instrumenten außer der Orgel geben, Gemeindepädagogen sollen sich nicht mehr um kleine Gruppen kümmern. Davon könne man sich trennen, empfiehlt der Bericht.
Nun soll also Schluss sein mit dem Aufsatteln immer neuer Aufgaben durch Gemeindefusionen und durch Stellenabbau. Gleichzeitig empfiehlt der Bericht aber, größere Einheiten zu bilden, also größere Gemeindeverbünde für auskömmliche Mitarbeiterstellen.
Es bleibt ein Spagat, denn die Landeskirche will in der Fläche präsent bleiben. Ob durch Zusammenlegung größere Gruppen entstehen? Oder werden die Mitarbeiter weniger zu tun haben, weil die kleinen Gruppen sich allmählich auflösen? Das bleibt abzuwarten. Wenn das Kirchturmdenken der Gemeindeglieder kein Ende findet, dann ist das neue Konzept zum Scheitern verurteilt. Der Bericht soll eine Diskussionsgrundlage sein: Für die Landessynode, die über die Umsetzung zu entscheiden hat, aber auch für die Gemeinden. Denn dort muss wahrgenommen werden, dass sich bei der nächsten Strukturreform tiefgreifend etwas ändern wird.
Ich sehe den Bericht mit einem lachenden und einem weinenden Auge - es muss sich endlich etwas tun, um die Mitarbeiter besser zu schützen. Manch ein Arbeitnehmer wäre froh, wenn der Arbeitgeber mal eine Vision hätte, wo es mit den Mitarbeitern hingehen soll.
Leider bleibt offen, wie und durch wen der Weg da hin gestaltet werden soll. Und ob ein solcher fester Kurs den Gemeinden gut tut darf auch noch bezweifelt werden. Einfach mal 3 Beispiele:
1) Instrumentalunterricht: Gerade in Sachsen lebt die Kirchenmusik auch von geblasenen Blech. Haben wir in der Fläche wirklich so viele ehrenamtliche qualifizierte Personen, die den Nachwuchs ausbilden können? Oder hoffen auf die Musikschulen in den Städten?
2) Abgabe von Verwaltungsaufgaben: Ja, bitte, an wenn denn? An die Verwaltungsstellen, deren Stellenumfang zuletzt 1997 im Amtsblatt mit Berechnungsgrundlage veröffentlich wurde? Oder an Ehrenamtliche, die zwar oft die Kompetenz, aber nicht unbedingt die Zeit haben (und wenn, dann eher selten zu Zeiten, wo die anderen kirchlichen Mitarbeiter in Gemeinde und zentralen Verwaltungsstellen arbeiten)?
3) Keine kleinen Gruppen mehr betreuen - ja, wo haben wir denn noch große Gruppen? Unsere Gesellschaft diversifiziert sich immer mehr, ein "großer" Bibelgesprächskreis zerfällt oft in einen Hauskreis, einen Gesprächskreis mit tradioneller Prägung und in einen "kritischen". Sollen dann alle drei alleine arbeiten?
Insofern halte ich es für besonders wichtig, dass man die Gemeinden und Mitarbeiter vor Ort nicht mit der Umsetzung allein lässt, sondern (befristet) wirklich Mehraufwand betreibt - die Hauptamtlichen weiterbilden, Kommunikation in die Gemeinden nicht über die Kirchenbezirke und Kirchenvorstände "durchrieseln" lassen sondern bewusst direkt in die Gemeinden gehen und die Situation vermitteln. Eine Plattform etablieren, wo sich Ehrenamtliche im geschützen Rahmen austauschen, Tipps geben und "Best known methods" publizieren können.
Auch das Umdenken in den Gemeinden ist an kirchlichen Zeitmaßstäben zu messen - eher in Generationen als in Jahren. Nötig sind Veränderungen in jedem Fall!
"Gemeindepädagogen sollen sich nicht mehr um kleine Gruppen kümmern. Davon könne man sich trennen, empfiehlt der Bericht."
Wovon will sich "kirche" noch alles trennen? Von ihren eigenen Geundlagen?
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