Kirche ratlos vor dem Krieg
Zum Bundeswehreinsatz über Syrien verhält sich die evangelische Kirche auffällig unauffällig – dabei widerspricht er ihrer Friedensdenkschrift. Warum ist das so?Deutsche Düsenjäger unterstützen seit einer Woche Luftangriffe gegen die Terrormiliz IS in Syrien und dem Irak, ein Bundeswehr-Airbus betankt alliierte Bomber in der Luft, der Bundestag hatte nach den Pariser Terroranschlägen den Einsatz mit großer Mehrheit und noch größerer Eile am 4. Dezember beschlossen. Und die evangelische Kirche? Sie findet weder zu einem klaren Nein noch zu einem Ja.
Zwar hat der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm seine Skepsis gegenüber der Begründung des Kriegseinsatzes ausgesprochen und der EKD-Friedensbeauftragte hat vernehmbar protestiert – aber danach folgte nicht mehr viel. Die innere Ratlosigkeit und Zerrissenheit der evangelischen Kirche spiegelte sich am deutlichsten wohl kurz vor der Bundestagsentscheidung Anfang Dezember bei einer Kirchenkonferenz, zu der sich die Leitungen der EKD-Mitgliedskirchen trafen.
Eindruck machte dort der Auftritt der evangelischen SPD-Abgeordneten Kerstin Griese. »Ich kann es nicht ertragen, dieser unglaublichen neuen Dimension von Gewalt durch den IS einfach zuzusehen«, sagt Kerstin Griese, die im SPD-Bundesvorstand und im Rat der EKD sitzt, dem Sonntag. Sie hat nach schwieriger Gewissensabwägung für den Einsatz gestimmt und hofft auf die begonnenen Syrien-Friedensgespräche. »Mit dem IS aber kann man keinen Runden Tisch machen. Es gibt manchmal Situationen, in denen man sich auch schuldig machen kann, wenn man etwas nicht tut.« Die Hürden der EKD-Friedensdenkschrift für einen Kriegseinsatz liegen indes höher. Das Papier von 2007 fordert eine »Autorisierung« durch die UNO, dazu eine »begründete Aussicht auf Erfolg«, ein »friedens- und sicherheitspolitisches Gesamtkonzept« mit einer »realistischen Abschätzung des für die Konsolidierung nötigen Zeithorizonts« und »Exit-Kriterien«.
«Die Strategie des Bundeswehreinsatzes aber ist nicht wirklich klar und ein offizielles UNO-Mandat liegt nicht vor«, sagt die Münchener Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler, die als stellvertretende Vorsitzende der EKD-Kammer für Öffentliche Verantwortung an der Friedensdenkschrift mitgeschrieben hat, dem Sonntag. »Dieser Einsatz widerspricht unserer Friedensdenkschrift – aber zugleich wollen wir uns gegenüber den Politikern nicht auf das hohe moralische Ross setzen und ihnen sagen: Ihr habt die Verantwortung und wir haben die Ethik.«
Diese Nachdenklichkeit bestimmte der Ton der Friedensdebatte bei der EKD-Kirchenkonferenz Anfang Dezember, berichten Teilnehmer übereinstimmend. Einige Kirchenleiter kritisierten den Einsatz eher, andere befürworteten ihn eher. »Ich bin da auch am Suchen«, sagt der sächsische Landesbischof Carsten Rentzing. »Es sind Fragen, die mir auf dem Herzen liegen, aber auf die ich im Augenblick keine passende Antwort habe.« Anders als etwa die badische Kirchenleitung oder die hessen-nassauische Synode habe die sächsische Kirchenleitung keine Positionierung geplant, so Rentzing.
Eine neue Debatte ist trotzdem eröffnet. »Wir brauchen eine neue Friedensdenkschrift«, fordert das EKD-Ratsmitglied Kerstin Griese. »Bei der Arbeit an der bisherigen Friedensdenkschrift 2007 konnte man nicht voraussehen, dass Terroristen wie der IS ein Staatsgebilde gründen und sich wie ein Staat verhalten.« Auch Sachsens Landesbischof schließt Gedanken zu einer Nachbesserung nicht aus.
Die Münchener Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler möchte indes von den hohen Kriterien aus der Friedensdenkschrift nicht abrücken. »Wir dürfen von unseren Maximalansprüchen nicht runter – aber wir haben in bestimmten Situationen auch Respekt vor denen, die diesen Ansprüchen nicht genügen können.«
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
Zum Vergrößern hier klicken.
Weitere Impressionen finden Sie hier.