Pilgern ist für mich der Inbegriff des Lebensglücks. Das Pilgerfieber wurde bei mir auch durch das Buch von Hape Kerkeling ausgelöst.
Wie gerne denke ich an meinen ersten Pilgerweg auf dem Ökumenischen Jakobsweg von Großenhain nach Leipzig zurück. Noch heute zehre ich von diesen wunderschönen Erinnerungen.
Unterwegs sein, schweigen, sich an Gottes wunderschöner Natur erfreuen, Gastfreundschaft erfahren, nette Menschen kennenlernen, Pilgerstätten und -kirchen besuchen, innehalten, ganz Mensch sein, draußen und drinnen.
Später liefen wir noch mehrere Etappen des Ökumenischen, aber auch des Sächsischen Jaokobsweges ab, die beide durch Sachsen führen. Ich bin dankbar, dass es diese Wege gibt und habe dadurch viele schöne Gegenden in Sachsen abseits der großen Orte kennengelernt.
Und ich bewundere meine "verrückte" Schwiegermutter, die mit fast 60 schon in Nepal, auf dem Kilimandscharo, in Portugal, Frankreich und Spanien pilgern war.
Abstand vom Alltag
Pilgern: Immer mehr Menschen brechen auf zu Pilgerreisen und nehmen sich eine Auszeit vom Alltag. Pilger machen sich auf die Suche – nach Gott, aber immer auch nach sich selbst.Luther ist im Auftrag seines Mönchsordens nach Rom gewandert, vermutlich im Jahr 1511 von Wittenberg aus, genau weiß man das Jahr nicht zu bestimmen. Es war ein weiter Weg, über den er nicht viel geredet hat, denn eine solche Reise über 1300 km galt in seiner Zeit nicht als besonderes Abenteuer, man reiste eben zu Fuß, allenfalls auf Karren.
Wichtiger waren die Erlebnisse in der Hauptstadt der westlichen Christenheit, von denen Bruder Martinus sehr beeinflusst wurde. Damit mag seine Ablehnung der Versuche begonnen haben, sich durch gute Werke vor Gott Anerkennung zu verschaffen. Zu denen gehörte auch die Praxis des Pilgerns auf uralten Pfaden, die schon lange Europa durchzogen; ungezählte Gläubige nahmen die Mühsal einer Reise nach Santiago de Compostela auf sich, um auf diese Weise für ihre Sünden zu büßen und Gott gnädig zu stimmen.
Die Renaissance des Pilgerns zu unserer Zeit und der Boom der iberischen Jakobswege haben auf den ersten Blick andere als religiöse Gründe – »Ich bin dann mal weg« bringt sie ganz gut auf den Punkt. Der Bericht von Hape Kerkeling über seine Reise auf dem Jakobsweg im Sommer 2001 war ein riesiger Erfolg und stärkte eine Bewegung, die damals noch in ihren Anfängen steckte.
Die Ursache ist wohl in den Lebensbedingungen einer Leistungsgesellschaft zu suchen, in der viele Menschen unter permanentem Druck stehen, sich behaupten zu müssen und den an sie gerichteten Anforderungen zu entsprechen. Das ist nicht nur in beruflichen Zusammenhängen der Fall, vielmehr dringen am ökonomischen Denken orientierte Verhaltensweisen längst in das Private ein – auch das elementare Zusammenleben in Familien und Gemeinschaften wird in den Relationen von Kosten und Nutzen gedacht. Permanent Leistungen erbringen zu müssen, überfordert aber am Ende jeden Menschen, und darüber ist der »burn-out« zu einer massenhaften Erscheinung geworden, auch Angststörungen nehmen offensichtlich unaufhaltsam zu.
Das Wandern auf den Pilgerwegen ist als Ausdruck eines Unbehagens zu verstehen, einer Gegenbewegung – man möchte für eine bestimmte Zeit Abstand von den Zwängen des Alltags gewinnen, anders leben; und hofft, den Kopf frei zu bekommen.
Das ist ein entscheidender Punkt, und tatsächlich bringt das Wandern Körper und Geist zusammen. Es geschieht eher beiläufig, nicht als »Produkt« eines Bemühens oder einer ausgeklügelten Strategie, sondern ganz von allein, unterwegs sozusagen. Denn nachdem die ersten Beschwerden der ungewohnten Bewegung überwunden sind, gehen die Füße ihren Weg, die Arme schwingen mit, Herz und Lunge haben ihren Takt gefunden, es stellt sich ein Rhythmus ein, die Geschwindigkeit ergibt sich ganz von allein … der Wanderer fühlt, dass es gut so ist und hilfreich. Und entdeckt, wie die Gedanken beginnen, sich ohne störende Einflüsse frei zu bewegen. Ereignisse aus der Vergangenheit tauchen auf, nun in neuer Perspektive; gegenwärtige Herausforderungen werden durchsichtig; eine Lösung erkennbar, nach der schon lange gesucht wurde; vertraute Melodien klingen an.
Es gibt eine verborgene Verbindung von Körper und Geist, die spürbar wird durch Bewegung; nicht nur der Organismus, auch die Seele wird auf der Wanderschaft gestärkt. Darüber kann das Gehen zu einer geistlichen Erfahrung werden, und dann ist es sinnvoll und treffend, vom Pilgern zu sprechen. Wenn es nicht um religiöse Leistung geht, sondern um die Hoffnung, dass der Blick sich weitet, Störendes nicht länger die Sicht verstellt und das Gottvertrauen wächst.
Nicht der Weg ist das Ziel, Christus ist das Ziel unserer Wege.
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