Wie geht sächsisch-christlich?
Kirche in Sachsen: Wie vielerorts werden auch Kirchgemeinden der Region kleiner. Enttäuschte Menschen treten aus der Kirche aus. Dennoch gibt es aktive Gemeinden mit großer Glaubenskraft. Sie können Beispiel sein.Es gibt kein sächsisches Christentum. Es gibt aber sehr wohl eine Geschichte Gottes mit den Menschen hier in Sachsen. Darauf lohnt ein Blick, denn Gott hat sich bei dieser Geschichte etwas gedacht. Wie in der Dresdner Gemeinde, in der ich aufgewachsen bin. Eine Gemeinde aus manchen Vogtländern, Lausitzern und Erzgebirgern, die der Beruf in die Stadt gebracht hatte und die gemeinsam mit den großstädtisch geprägten eine Gemeinde waren, die sich mit »konservativ« oder »liberal« nie hätte fassen lassen. Es war eine Gemeinde, die abseits dieser Zuschreibungen eine enorme Glaubenskraft entfaltete und mit großem Mut die Gesellschaft um sie herum prägte.
Möglich war das – so glaube ich – durch eine wundersame gemeinsame Erfahrung aus der Zeit der DDR. Die überlieferten Formen des Glaubens unserer sächsischen Kirche, nicht nur die Güte des diakonischen Handelns an den Menschen außerhalb der Kirche, sondern auch die Lehre der christlichen Wahrheit und die Feier der Schönheit unseres Glaubens in der traditionellen Liturgie waren dort keine leblosen Relikte vergangener Zeiten, sondern erstaunlicherweise vielmehr die lebendigen Brücken zu einer Umwelt, die es der Kirche und den Menschen in ihr schwer machte.
Das war das Wunder – zumindest aus heutiger Sicht! In der Zeit der DDR war die Kirche in Sachsen in ihren Formen und ihrer Lehre, wie man heute sagen würde, sicher eher »behäbig« oder »langsam«. Aber gerade diese »traditionelle« Kirche, noch dazu arm und an den gesellschaftlichen Rand gedrängt, lebte und wirkte, dass man es heute kaum für möglich halten mag. Meine Erklärung dafür ist, dass gerade dieses scheinbar paradoxe Zusammenspiel von alter Form und Lehre und die für heute vorbildhafte Herzensweite und Liebe für die Welt, ja eigentlich ganz logisch ist. Mit eigener Kraft kann ich als Christ die atheistische Welt um mich herum nicht lieben. Aber Gott schenkt der Kirche Formen, in denen sie das kann. Das ist in einem guten Sinn die »Tradition«.
Heute, in der neuen atheistischen Gesellschaft, erlebt die Kirche, auch die in Sachsen, eine tiefe Identitätskrise, weil von eben dieser »Tradition« gesagt wird, sie tauge für die neue Zeit nichts. Das diakonische Handeln in der Welt steht dabei nicht in Frage. Aber ist es noch zeitgemäß, von der »einen Wahrheit« als Kirche zu sprechen? Ist die Liturgie des Sonntagmorgens nicht völlig aus der neuen Zeit gefallen?
Von Karl Barth habe ich gelernt, dass es so etwas wie »neue Zeiten« nicht gibt. Jede Zeit tut sich mit dem Evangelium und ja auch mit der Kirche schwer. Deshalb kann man sich einer »neuen« Zeit gar nicht gänzlich »neu« zuwenden. Die Welt ist immer eine, der die Kirche mit ihrer Botschaft und auch mit ihren ganz eigenen Formen fremd ist.
Aber was heißt das nun? Ich habe das Glück, dass ich erlebe, wie Karl Barth im guten Sinne Recht behalten hat: in meiner ganz traditionellen mittelsächsischen Gemeinde gleichen die Taufen und Wiedereintritte die Zahl der Beerdigungen und Austritte aus – ohne, dass sich unsere Gemeinde der Welt gegenüber verschließt und ebenso ohne oberflächliche, scheinbar zeitgemäße Neuerungen des Gemeindelebens. Die Gemeinde hier traut dem, was Gott in der Geschichte zu ihnen getragen hat, etwas zu und die Menschen um uns herum spüren dieses Vertrauen zu der Geschichte Gottes mit den Menschen hier. Das macht sie neugierig. Und sie treffen auf eine offene, mutige Gemeinde, die sie, so wie sie eben ist, einlädt, ein Teil von ihr zu werden. Vielleicht ist das ein sächsischer Beitrag zu den vielen christlichen Stimmen in unserem Land: »Traut dem, was uns durch die Zeiten getragen hat, denn wir erleben ganz wundersam, wie daraus Neues entsteht.«
Mehr zu dem Thema hat Justus Geilhufe, Pfarrer in Großschirma, in den Büchern »Die atheistische Gesellschaft und ihre Kirche« geschrieben – es erscheint in Kürze im Claudiusverlag. »Bischöfe, Pröpste und Theologen in der DDR« widmet sich auch dem Thema. Es erscheint im Herbst in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
Zum Vergrößern hier klicken.
Weitere Impressionen finden Sie hier.