Krieg gegen Schutzsuchende?
Migration: Fast alle Parteien fordern nun eine schärfere Abweisung von Geflüchteten. Es herrscht ein regelrechter Überbietungswettbewerb der Härte gegen Schutzsuchende. Die Kirchen wagen leise Kritik.Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Bemühungen seiner Regierung bekräftigt, die Zahl der in Deutschland ankommenden Migrantinnen und Migranten zu verringern. »Wir müssen strikt sein, klar sein, aber immer ohne Schaum vor dem Mund handeln«, sagte Scholz am vergangenen Mittwoch in den »tagesthemen« der ARD. Gemeinsam mit den Bundesländern wolle er »eine sehr umfassende Agenda umsetzen«. Scholz nannte es eine »Herausforderung, dass so viele irregulär nach Deutschland kommen«. »Die Zahlen derjenigen, die heute als Flüchtlinge kommen, sind zu hoch, vor allem wenn wir wissen, dass das eben nicht auf geordnete Weise geschieht«, sagte er. Das Problem hätten auch andere wohlhabende Länder. »Da kommen eben viele«, sagt Scholz: »Deshalb ist es unsere Aufgabe, dass wir alles tun, um diese Zahlen herunterzukriegen.« Dazu gehörten eine stärkere Grenzsicherung ebenso wie Abkommen mit Herkunftsländern, um Abschiebungen zu erleichtern.
Ebenfalls am vergangenen Mittwoch hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) einen Gesetzentwurf veröffentlicht, der nach ihren Worten »ein Bündel restriktiver Maßnahmen« vorsieht, um Menschen ohne Bleiberecht in Deutschland leichter abschieben zu können. Darin sind mehr Befugnisse für Behörden und Polizei bei der Durchsetzung von Rückführungen vorgesehen. Die Höchstdauer des sogenannten Ausreisegewahrsams, mit dem ein ausreisepflichtiger Ausländer festgesetzt werden kann, soll von 10 auf 28 Tage verlängert werden, damit die Behörden mehr Zeit für die Vorbereitung einer Abschiebung erhalten.
Bereits Anfang Oktober hatten sich die EU-Staaten auf die umstrittene Krisenverordnung als zentrales Element der geplanten EU-Asylreform geeinigt. Diese sieht Sonderregeln für EU-Staaten vor, die unter besonders hohem Migrationsdruck stehen. Dazu zählt, dass Asylsuchende vor der Registrierung vier Wochen unter haftähnlichen Bedingungen an der Außengrenze festgehalten werden dürfen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schrieb daraufhin auf der Plattform X, die Einigung sei »ein historischer Wendepunkt«: Die Reform werde »irreguläre Migration in Europa wirksam begrenzen und Staaten wie Deutschland dauerhaft entlasten«.
Der Generalsekretär der Kommission der Kirchen für Migranten in Europa, Torsten Moritz, hält indessen die Abschottungspolitik der EU für realitätsfern. »Abschottung ist nicht sinnvoll und sie ist unmöglich«, sagte Moritz dem epd. Stattdessen forderte er die EU-Staaten auf, sich auf die Ankunft von Schutzbedürftigen einzustellen, angemessene Aufnahmeeinrichtungen zu schaffen und diese zu erhalten.
Für die Krise in der Migrationspolitik sei das mangelhafte Aufnahmesystem verantwortlich, nicht die Zahl der Migranten. »Es mag politisch schwierig zu vermitteln sein, aber das ist die Realität: Wir müssen uns darauf einstellen, dass jedes Jahr eine halbe Million bis Million Schutzsuchender zu uns kommt«, sagte Moritz. 20 Jahre lang sei vergeblich versucht worden, die Zahl durch Abschottung zu reduzieren. »Wir beobachten, wie die Rechte von Flüchtlingen und Migranten mit dieser Politik weiter beschnitten werden. Das sorgt für mehr Tote und mehr Verelendung, aber nicht für niedrigere Migrationszahlen.« Dass die Kommunen derzeit an Überlastung litten, liege auch daran, dass einige nach 2016 ihre Aufnahmekapazitäten abgebaut hätten. »Das ist so, als würde ich die Feuerwehr abschaffen, weil es drei Monate nicht gebrannt hat«, sagte Moritz. Es müsse dauerhaft damit gerechnet werden, dass Migranten kommen, »und wenn es eine vernünftige Infrastruktur gibt, dann ist das auch leistbar.«
Auch der deutsche EU-Abgeordnete Erik Marquardt kritisierte im Zuge der Erinnerung an das Ertrinken von 360 Flüchtlingen vor der Küste der Insel Lampedusa am 3. Oktober 2013 die Abschottungspolitik der EU. »Ich glaube, wir müssen aufpassen, dass wir aus diesem Kontinent nicht einen Kontinent machen, der einen Krieg gegen Schutzsuchende führt.«
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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