Lernt Hoffnung wieder gehen?
Erinnert: Am 30. April 1989 veröffentlichte die dritte Ökumenische Versammlung in Dresden ihr Abschlussdokument und legte den Finger in Wunden. Eine Hoffnung lag in der Luft. Gilt sie noch heute?Am Ende eines anderthalbjährigen Ringens formulierten die Delegierten der Ökumenischen Versammlung 1989 in Dresden ein Bekenntnis zur »vorrangigen Verpflichtung, Gerechtigkeit für alle Benachteiligten und Unterdrückten zu schaffen, dem Frieden mit gewaltfreien Mitteln zu dienen und das Leben auf dieser Erde zu schützen und zu fördern«. Die damals beteiligte Dresdner Pfarrerin Randi Weber spricht im Rückblick von einem großen »Veränderungsstau« und drückenden Problemlagen. Atomares Wettrüsten, Raubbau an der Natur, globale Ungerechtigkeiten waren die Stichworte. Weber beschreibt, wie der Aufruf für eine Ökumenische Versammlung in der ganzen DDR zur Triebfeder wurde, den Veränderungsstau in einen Veränderungsprozess zu überführen. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich 1987 der Aufruf der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der DDR an die 19 Mitgliedskirchen mit dem Titel »Eine Hoffnung lernt gehen«: Gemeinden und Vereinigungen sollten Vorschläge für Veränderungen einreichen. Es folgten über 10 000 Zuschriften, die in den drei Ökumenischen Versammlungen in Dresden und Magdeburg 1988 und 1989 behandelt wurden. Die Arbeitsgruppen hätten dabei oft scharf kritisiert, frei und widersprüchlich gestritten über eine genaue Sprache und praktikable Vorschläge, erinnert sich Weber. Obwohl der Druck der Stasi groß war, haben die Teilnehmer ihre Ängste überwunden.
Der damals federführende Theologe Christof Ziemer, zu der Zeit Superintendent in Dresden, spricht rückblickend über die Ökumenischen Versammlungen von einem »aufreibenden anderthalbjährigen Prozess«, der eine »innere Vergewisserung« bewirkte. Auch er betont den großen Veränderungsdruck, insbesondere im Blick auf eine Umgestaltung der DDR-Gesellschaft. »Die Erwartungshaltung der Menschen und der Veränderungswille der Engagierten haben sich als starke Motivationskraft erwiesen – nicht nur in den Räumen der Ökumenischen Versammlung, sondern dann später auch auf den Straßen der Friedlichen Revolution«, erinnert er sich und ergänzt: »Wir waren ziemlich divers, wir waren keineswegs immer einer Meinung, unsere Texte waren nicht perfekt, wir waren unzufrieden und manchmal nahe daran aufzugeben. Aber wir sind durch die Krisen hindurchgegangen, wir haben eine beispiellose ökumenische Nähe erlebt und manchmal sogar geahnt, was es bedeuten kann, eines Sinnes zu sein – zum Beispiel als wir uns im Abschlussgottesdienst im wörtlichen Sinne vernetzt haben.« Dieser Abschlussgottesdienst am 30. April 1989 in der Dresdner Kreuzkirche (siehe Foto) hat sich auch Randi Weber tief eingeprägt: »Die inspirierende Atmosphäre war für viele wie eine Pfingsterfahrung: Gottes Geist war unmittelbar gegenwärtig.«
Doch wie steht es heute um die Anliegen von 1989? »Noch nie waren wir so ratlos«, sagt Randi Weber angesichts der gegenwärtigen Krisen und Kriege. Und doch sieht sie keine Alternative zur Hoffnung: »Sie ist nicht totzukriegen, sie lebt nicht allein durch Worte, sondern durch Engagement und Gebet, trotz Erschöpfung in Phasen. Das Jesuswort vom Salz der Erde bleibt aktuell, auch wenn es – gerade wegen der vielen Dilemmata – sehr anstrengend ist, diese zu bedenken, zu artikulieren und auszuhalten.«
Und Christof Ziemer fragt sich, wie die vorrangige Option für die Gewaltfreiheit im Angesicht des russischen Angriffskrieges zu verstehen sei. Hier komme eine Gewaltanwendung zur Förderung von Gerechtigkeit und Frieden als mögliche Option in den Blick, eine »Gewaltanwendung im Geist der Gewaltfreiheit«, wie Ziemer mit Bezug auf ein Wort der katholischen Bischöfe formuliert. Er erinnert daran, dass 1989 von einer »vorrangigen Option für die Gewaltfreiheit« die Rede war, nicht von einem absoluten Gewaltverzicht. Doch gesucht werden solle ein »gerechter Frieden«, nicht ein »gerechter Krieg«, betont er und fragt: »Wie kann diese Gratwanderung gelingen, bei der Gewalt ausschließlich Frieden und Gerechtigkeit fördert? Oder anders gefragt, wie kann ich verhindern, dass ich durch Waffenlieferung nicht fast zwangsläufig der Kriegslogik verfalle?«
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
Zum Vergrößern hier klicken.
Weitere Impressionen finden Sie hier.