Strafe muss sein
Oder doch nicht? Zwischen Steinewerfen und Gefangenenbefreiung: Was wir im Umgang mit Rechtsbrechern von Jesus lernen können.Damals haben Rechts- und Schriftgelehrten Jesus zum Richter bestellt und gefragt, was mit der auf frischer Tat ertappten Ehebrecherin geschehen solle. Das Gesetz schreibe Steinigung vor. Jesu Antwort lautet: »Wer unter euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.« (Johannes 8,7). Jesus sagt auch, wer Gefangene besuche, besuche ihn selbst (Matthäus 25,39f).
Lukas lässt Jesus in seiner Antrittspredigt in Nazareth den Propheten Jesaja vorlesen, der für die Zukunft sogar von der Befreiung von Gefangenen redet; Jesus fügt hinzu: »Heute ist dies Wort erfüllt« (Lukas 4,18 und 21).
Was Jesus sagt und tut, setzt auch Maßstäbe für Christen, wenn es um unseren Umgang mit Rechtsbrechern geht. Fällt es schon Außenstehenden schwer, nach diesen Maßstäben zu handeln, so erst recht den Opfern eines Rechtsbruchs, den Leidtragenden. Sie fragen in ihrer Verletztheit auch nach Vergeltung.
Paulus kennt das. In seinem Brief an die Römer (12,17-21) nimmt er den Schrei nach Rache auf, den jeder nachvollziehen kann, dem Unrecht geschehen ist. Aber Paulus weiß auch, dass Rache nicht weiterhilft. Böses soll nicht mit Bösem vergolten, sondern mit Gutem überwunden werden. Er fordert uns auf: »Rächt euch nicht selber.« Was die Rache angeht, das sei Gott überlassen.
Der bundesdeutsche Staat heute hat, wenn er richtet, im Gegensatz zu früher in Gesetzen und in Urteilen des Bundesverfassungsgerichts »Resozialisierung« als Ziel der Sanktionen für Rechtsbrecher festgelegt. Das kommt Jesus nahe, der sich von der befreiten Ehebrecherin in Johannes 8,11 mit den Worten verabschiedet: »Sündige hinfort nicht mehr.«
Jesus ist ein für allemal für alle Menschen gestorben – für den unbescholtenen Bürger genauso wie für den Rechtsbrecher. Deshalb kann niemand mehr Sühne von einem anderen verlangen. Staatliche Sanktionen, so schreibt Karl Barth, dürfen »nur als Fürsorgemaßnahme« gesehen und verwirklicht werden.
Fürsorge für den Rechtsbrecher, damit er zukünftig »ein Leben in sozialer Verantwortung« (so die Strafvollzugsgesetze) zu führen lernt. Fürsorge für andere, damit sie nicht (mehr) Opfer eines Rechtsbruchs werden. Fürsorge zugleich für Rechtsbrecher und für andere Mitglieder der Gesellschaft macht es im extremen Ausnahmefall erforderlich, dass der Rechtsbrecher inhaftiert wird. Experten sagen, dass das für mindestens drei Prozent, höchstens aber 30 Prozent der heute Inhaftierten wirklich nötig ist.
»Für-Sorge« ist ein altes schönes Wort. So wurde früher genannt, was heute Soziale Arbeit heißt. Weil es paternalistisch missverstanden werden kann, spricht die Justiz hier von »Resozialisierung«. Die kann man nicht verordnen. Die gelingt nur, wenn die Beteiligten sich als Partner verstehen und sich gegenseitig respektieren.
Ich erlebe das oft, wenn in den Justizvollzugsanstalten in einer Konferenz zwischen dem Justizpersonal und einem Rechtsbrecher ein »Vollzugsplan« erstellt wird. Da wird, wenn es gut läuft, miteinander um Einsicht in nicht-akzeptables Sozialverhalten gerungen. Da ist es wichtig, das durch Rechtsbruch beim anderen angerichtete Leid wahrzunehmen. Und es wird geplant, was zu tun möglich ist, damit der Rechtsbrecher nicht wieder »rückfällig« wird – und, wo möglich, den angerichteten Schaden wieder gutzumachen. Das geht aber nur, wenn beide Seiten die Würde des anderen achten und nicht einer den anderen zum Objekt macht.
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